1. Bei dem AG-Beschluss handelt es sich um die zweite bekannt gewordene Entscheidung zu der Frage, ob für die Einziehung des Führerscheinformulars in einem Strafverfahren die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV anfällt (so bereits schon AG Freiburg, Urt. v. 6.11.2020 – 4 C 1193/20, VRR 1/2021, 25 = StRR 2/2021, 38). Wohlgemerkt: Es geht um die Einziehung des Führerscheinformulars, nicht um die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB. Insoweit sind sich Rspr. und Lit. weitgehend einig, dass dafür die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV nicht anfällt (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, 6. Aufl., 2021, Nr. 4142 VV Rn 9; a.A. allerdings N. Schneider, DAR 2017, 762). Das ergibt sich m.E. schon aus der Formulierung der Nr. 4142 VV, deren klarer Wortlaut von "Einziehung" spricht und insoweit keine Einschränkungen macht. Daher war auch die vom AG vermisste Begründung der Auffassung in der Lit. nicht erforderlich. Der Anfall ergibt sich aus dem Gesetz. Auch das Argument des AG: "Nur Folgemaßnahme", hilft i.Ü. nicht. Die Nr. 4142 VV macht hinsichtlich des Grundes der Einziehung keinerlei Einschränkungen.

2. Von daher geht auch die Einschränkung des AG fehl, das den Anfall der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV nur bejahen will, wenn "sich die anwaltliche Tätigkeit und Beratung spezifisch auf Fragen im Zusammenhang mit dem Führerscheindokument richtet". Diese Einschränkung ergibt sich nicht nur nicht aus dem Wortlaut der Nr. 4142 VV, sondern sie widerspricht auch den allgemeinen Regeln. Bei der Nr. 4142 VV handelt es sich nämlich um eine Verfahrensgebühr. D.h., dass sie für jede anwaltliche Tätigkeit im Hinblick auf die Einziehung des Führerscheindokuments entsteht (allgemein zum Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 VV Rn 37 ff.) und eben nicht nur, wenn spezifisch auf Fragen im Zusammenhang mit dem Führerscheindokument gerichtete Tätigkeiten erbracht werden. Was das im Einzelnen sein soll, beantwortet das AG nicht. Es bleibt ebenso eine Antwort auf die Frage schuldig, warum die anwaltliche Beratung darüber, dass im Falle der Wiedererteilung ein neues Führerscheindokument ausgegeben wird und das mit Rechtskraftentziehung der Fahrerlaubnis das Führerscheindokument abzuliefern ist, nicht zum Anfall der Nr. 4142 VV führen soll. Spezifischer geht es doch nicht, wenn der Mandant an der Stelle Beratungsbedarf hat. Zudem übersieht das AG, dass die Gebühr allein schon deshalb angefallen ist, weil in der Hauptverhandlung der Staatsanwalt im Zweifel einen entsprechenden Einziehungsantrag gestellt hat (vgl. Abs. 3 der Anm. zu Nr. 4142 VV).

3. Das AG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen Frage die Beschwerde zugelassen. Es verweist insoweit auf § 66 Abs. 2 S. 2 GKG, was nicht zutreffend ist, da es sich nicht um eine Frage handelt, die nach dem GKG zu entscheiden ist. Es handelt sich um Anwaltsgebühren, sodass die Vorschriften des RVG anzuwenden sind und die Beschwerde somit nach § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG zuzulassen war und wohl auch zugelassen ist. Falsa demonstratio non nocet. Man darf gespannt sein, wie das LG entscheiden wird. Dass es entscheiden wird, steht m.E. außer Frage, denn der Vertreter der Staatskasse wird die Entscheidung nicht hinnehmen. Der Verteidiger im Zweifel aber auch nicht, da er ja auf der Grundlage der Ziffer 46.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit von einem Gegenstandswert von 5.000,00 EUR ausgegangen ist, das AG aber nur 300,00 EUR zugrunde gelegt hat. Da steckt also einiges an Geld. Und wir erhalten ggfs. die erste Entscheidung, die sich zur Bemessung des Gegenstandswertes äußert. Das AG Freiburg (a.a.O.) hatte dazu ausdrücklich nicht Stellung genommen.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 3/2022, S. 128 - 130

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