§ 2 Abs. 4 GKG; § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X

Leitsatz

Die Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen sind nicht gem. § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X von den Gerichtskosten befreit.

LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 2.7.2021 – 17 Ta (Kost) 6047/21

I. Sachverhalt

Der Kläger, der Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II ist, hatte gegen die Beklagte vor dem ArbG Berlin einen auf ihn gem. § 115 Abs. 1 SGB X übergegangenen Anspruch geltend gemacht. Der Rechtsstreit endete durch gerichtlichen Vergleich ohne Kostenregelung.

Der Kostenbeamte des ArbG Berlin hat gegen den Kläger Gerichtskosten, nämlich Zustellungsauslagen nach Nr. 9002 GKG KV, angesetzt. Unter Berufung auf eine Gerichtskostenbefreiung nach § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X hat der Kläger gegen diesen Kostenansatz Erinnerung eingelegt. Diese Erinnerung hat das ArbG Berlin zurückgewiesen. Die vom ArbG gegen seine Entscheidung zugelassene Beschwerde des Klägers hatte beim LAG Berlin-Brandenburg keinen Erfolg.

II. Angefallene Gerichtskosten

In Urteilsverfahren erster Instanz entsteht vor den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit nach Nr. 8210 GKG KV eine 2,0-Verfahrensgebühr. Nach Vorbem. 8 GKG KV entfällt diese Gebühr bei Beendigung des Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich. Folglich war in dem hier vor dem ArbG Berlin anhängig gewesenen Rechtsstreit keine gerichtliche Gebühr angefallen. Allerdings waren hier nach Nr. 9002 GKG KV Zustellungsauslagen i.H.v. insgesamt 14,00 EUR entstanden.

Weil die Parteien in dem gerichtlichen Vergleich eine Kostenregelung nicht getroffen hatten, gelten die Kosten als gegeneinander aufgehoben. Dies hat – worauf das LAG Berlin-Brandenburg hingewiesen hat – zur Folge, dass die Gerichtskosten von jeder Partei zur Hälfte zu tragen sind (§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 98, 92 Abs. 1 S. 2 ZPO). Damit entfiel auf den Kläger die Hälfte der insgesamt entstandenen Zustellungsauslagen mit 7,00 EUR.

III. Keine Gerichtskostenfreiheit

Gem. § 64 Abs. 2 S. 2 SGB X sind Geschäfte und Verhandlungen, die aus Anlass der Beantragung, Erbringung oder der Erstattung einer Sozialleistung nötig werden, kostenfrei. Gem. § 63 Abs. 3 S. 2 SGB X sind im Verfahren nach der ZPO, nach dem FamFG und in Verfahren vor Gerichten der Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende von den Gerichtskosten befreit. Das LAG Berlin-Brandenburg hat darauf hingewiesen, dass diese bundesrechtlich geregelte persönliche Kostenfreiheit gem. § 2 Abs. 4 S. 1 GKG vor den Gerichten für Arbeitssachen keine Anwendung findet.

Außerdem könne sich der Kläger auf eine Gerichtskostenfreiheit nicht berufen, da das vorliegende Verfahren gerade kein Verfahren nach der ZPO sei, wie § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X voraussetze. Vielmehr sei der vorliegende Rechtsstreit nach den Vorschriften des ArbGG und eben nicht nach der ZPO bzw. den weiteren kostenbefreiten Verfahrensordnungen geführt worden. Dem steht nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg nicht entgegen, dass die ZPO in den Urteilsverfahren vor dem ArbG sowie in Mahnverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen entsprechend anwendbar ist, soweit das ArbGG nichts anderes bestimmt (s. § 46 Abs. 2, § 46a Abs. 1 ArbGG). Dies hat das LAG damit begründet, das ArbGG enthalte eine eigenständige Verfahrensregelung, die in vielfacher Hinsicht von den Vorschriften der ZPO abweiche. Die in den vorgenannten Vorschriften angeordnete entsprechende Anwendung der ZPO führe somit gerade nicht zu einem Verfahren nach der ZPO.

IV. Bedeutung für die Praxis

In Verfahren nach der ZPO ist die Gerichtskostenfreiheit für Träger der Sozialhilfe allgemein anerkannt (s. BGH AGS 2006, 251; OLG München JurBüro 1995, 651 = AnwBl. 1996, 413). Die Verfahren vor den Arbeitsgerichten werden in der die Gerichtskostenfreiheit regelnden Vorschrift des § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X hingegen gerade nicht aufgeführt. Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit überzeugender Begründung entschieden, dass die in § 46 Abs. 2 und § 46a Abs. 1 ArbGG für bestimmte Fallgestaltungen angeordnete entsprechende Anwendung von Vorschriften der ZPO nicht dazu führe, dass ein arbeitsgerichtliches Verfahren ein Verfahren nach der ZPO sei. Damit hat auch ein Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende in Verfahren vor den Arbeitsgerichten keinen Anspruch auf Gerichtskostenfreiheit.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

AGS 3/2022, S. 132 - 133

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