§ 78a ArbGG; §§ 63 Abs. 3, 68 GKG

Leitsatz

Die Anhörungsrüge nach § 78a ArbGG hemmt nicht die Rechtskraft. Sie ist daher kein Rechtsmittel, sondern allein rechtskraftdurchbrechend und führt nur dann, wenn dem Verfahren nach § 78a Abs. 5 ArbGG Fortgang gegeben wird, zu einem späteren Zeitpunkt zur Rechtskraft.

BAG, Beschl. v. 22.6.2021 – 3 AZN 515/20 (A)

I. Sachverhalt

Das BAG hatte die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des LAG Hamburg durch Beschl. v. 14.10.2020, der dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21.10.2020 zugestellt wurde, als unzulässig verworfen. Durch denselben oder durch einen weiteren Beschluss ebenfalls vom 14.10.2020 hat das BAG den Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf 30.111,12 EUR festgesetzt. Mit Schreiben vom 19.2.2021 hat sich der Kläger an das BAG gewandt und um Erläuterung gebeten, wie dieser Streitwert berechnet wurde. Dem hat das BAG mit Schreiben vom 22.2.2021 entsprochen. Gegen die Streitwertfestsetzung hat der Kläger gem. § 78a ArbGG Anhörungsrüge erhoben, die das BAG durch Beschl. v. 1.12.2020 zurückgewiesen hat. Dieser Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15.12.2020 zugestellt. Mit Schreiben vom 9.6.2021 hat der Kläger "Erinnerung" gegen den Beschl. v. 14.10.2020 erhoben, mit der er die Neufestsetzung des Streitwertes erstrebt.

Das BAG hat den Antrag des Klägers auf Neufestsetzung des Streitwertes zurückgewiesen.

II. Frist zur Abänderung des Streitwertes

1. Gesetzliche Regelung

Nach Auffassung des BAG ist eine Änderung des Streitwertes gem. § 63 Abs. 3 GKG wegen Zeitablaufs nicht mehr möglich. Gem. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG ist die Änderung einer Streitwertfestsetzung nur innerhalb einer Frist von 6 Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

Das BAG hat darauf hingewiesen, dass die Entscheidung in der Hauptsache durch die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig am 21.10.2020 Rechtskraft erlangt hat, weil an diesem Tag dem Prozessbevollmächtigten des Klägers der Verwerfungsbeschluss zugestellt wurde. Damit habe die Frist für die Änderung des Streitwertfestsetzungsbeschlusses vom 14.10.2020 zu laufen begonnen. Bei Eingang der "Erinnerung" des Klägers vom 9.6.2021 sei deshalb die Frist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG bereits abgelaufen.

2. Einfluss der Anhörungsrüge

Daran ändert nach den weiteren Ausführungen des BAG auch nichts der Umstand, dass der Kläger gegen die Streitwertfestsetzung Anhörungsrüge nach § 78a ArbGG erhoben hat. Zwar sei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers der Beschluss des BAG vom 1.12.2020, mit dem die Anhörungsrüge zurückgewiesen worden war, erst am 15.12.2020 zugestellt worden und damit weniger als 6 Monate vor dem Eingang der "Erinnerung". Durch die Anhörungsrüge nach § 78a ArbGG werde jedoch – so fährt das BAG fort – die Rechtskraft nicht gehemmt. Sie sei nämlich kein Rechtsmittel, sondern allein rechtskraftdurchbrechend. Somit führe dies nur dazu, dass, wenn dem Verfahren aufgrund der Anhörungsrüge nach § 78a Abs. 5 ArbGG Fortgang gegeben werde, die Rechtskraft zu einem späteren Zeitpunkt eintrete. Da das BAG der Anhörungsrüge jedoch nicht stattgegeben hatte, hat dies nach den weiteren Ausführungen des BAG zur Folge, dass das Verfahren in der Hauptsache bereits mit der Zustellung des Beschlusses vom 14.10.2020 am 21.10.2020 rechtskräftig beendet worden sei.

3. Spätere Kenntnis

Abschließend hat das BAG offengelassen, ob etwas anderes gelten würde, wenn der Kläger erst nach Ablauf der 6 Monatsfrist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG von der Wertfestsetzung Kenntnis erlangt hätte. Ein solcher Fall hatte hier nicht vorgelegen, da sich die Kenntnis des Klägers aus seinem Schreiben vom 19.2.2021 ergeben hatte, in dem er vor Ablauf der 6-Monatsfrist um Erläuterung der Streitwertfestsetzung gebeten hatte.

III. Bedeutung für die Praxis

1. Einfluss der Anhörungsrüge

Der Entscheidung ist zuzustimmen, wenn – was sich aus dem Sachverhalt nicht eindeutig ergibt – das BAG durch denselben Beschl. v. 14.10.2020 die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig verworfen und den Streitwert festgesetzt hat. Sind diese Entscheidungen hingegen in zwei verschiedenen Beschlüssen vom selben Tage ergangen, kann die Erhebung der Anhörungsrüge gegen die Streitwertfestsetzung die Verjährung des Verwerfungsbeschlusses ohnehin nicht beeinflussen.

I.Ü. sind die weiteren Ausführungen des BAG zum Einfluss der Anhörungsrüge auf die 6-Monatsfrist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG etwas missverständlich.

a) Anhörungsrüge gegen die Hauptsacheentscheidung

Hat die Anhörungsrüge gegen die Hauptsacheentscheidung – hier die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig – Erfolg, ist das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach § 78a Abs. 5 ArbGG fortzusetzen. Dies bedeutet, dass das BAG dann über die Nichtzulassungsbeschwerde erneut entscheiden muss. Dies hat aber auch zur Folge, dass das Gericht dann bei seiner erneuten Entscheidung über die Hauptsache gem. § 63 Abs. 2 S. 1 GKG auch erneut den Streitwert festzusetzen hat. Denn die endgültige Str...

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