1. Immer wieder: Welche Gebühren entstehen für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand? Diese Frage beschäftigt Rspr. und Lit. seit Inkrafttreten des RVG im Jahr 2004 und wird immer wieder falsch beantwortet. So auch hier vom OLG Dresden. Warum die Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 3 VV als eine Einzeltätigkeit zu erfolgen hat, habe ich bereits mehrfach dargelegt (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4.1 VV Rn 5 ff. m.w.N. aus der Rspr.). Es ist müßig, das noch einmal zu wiederholen. Die OLG sind – soweit sie dieser Auffassung sind/waren – weitgehend unbelehrbar. Und ich räume ein, sie können sich jetzt auch auf die Änderung der Vorbem. 5 Abs. 1 VV durch das KostRÄG 2021 v. 21.12.2020 (BGBl I, 3229) berufen, was sie natürlich auch tun, um an ihrer falschen Auffassung festzuhalten. Dass das kommen würde, hatte ich vorausgesagt (vgl. u.a. Burhoff, AGS 2021, 49 ff.), hier ist dann also eine Entscheidung. Die Vertreter dieser Auffassung werden jubilieren. Der Umstand, dass der Bundesgesetzgeber – wie schon in der Vergangenheit – nicht endlich den Mumm hatte, mit dem KostRÄG 2021 v. 21.12.2020 (BGBl I, 3229) den Bundesländern die Zähne zu zeigen und durch eine (positive) Klarstellung der Vorbem. 4 Abs. 1 VV endlich für eine vernünftige Entlohnung des Zeugenbeistandes zu sorgen, ändert aber nichts daran, dass es falsch ist, Teil 4 Abschnitt 3 VV anzuwenden. Aber wie gesagt. Der Zug fährt wohl in die andere Richtung bzw. jetzt erst recht auf dem falschen Gleis.

2. In meinen Augen ist es unredlich, wenn das OLG ausführt: "Vereinzelt ist vor diesem Hintergrund in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten worden, dass mit Blick auf den Willen des Gesetzgebers die Gebühren eines Verteidigers entstehen würden…". Damit will das OLG offenbar den Eindruck erwecken, als sei die Auffassung, die von einer Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV ausgeht, eine Mindermeinung. Das ist aber sicherlich nicht der Fall. Ich empfehle dem Senat einen Blick in einen RVG-Kommentar (vgl. z.B. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4.1 VV Rn 12), wo zahlreiche Entscheidungen, die das RVG richtig anwenden, zitiert sind.

3. Für den Rechtsanwalt, der nach Teil 4 VV Abschnitt 1 VV abrechnen will, was – wie gesagt – immer noch zutreffend ist, gilt der folgende Hinweis: Abgerechnet werden können nicht nur die Grundgebühr Nr. 4100 VV und die Terminsgebühr für die Teilnahme an der Hauptverhandlung, sondern auch die jeweilige Verfahrensgebühr, die nach den Änderungen durch das 2. KostRMoG immer auch neben der Grundgebühr abgerechnet werden kann (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4.1 VV Rn 5 ff.).

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 3/2022, S. 130 - 131

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