Frage

In Zusammenhang mit einem "Abrechnungsirrtum" stellte sich einem Kollegen folgendes Problem: Ich habe im letzten Jahr vor dem Schwurgericht einen Freispruch erstritten. Beim Erstattungsantrag betreffend Gebührenfestsetzung meiner Gebühren habe ich versehentlich die Gebühren für Verfahren vor der Strafkammer (Nrn. 4112, 4114 VV) geltend gemacht und nicht die für das Verfahren vor dem Schwurgericht (Nrn. 4118, 4120 VV). Abgerechnet habe ich die Mittelgebühr. Die Gebühren Nrn. 4112, 4114 VV sind inzwischen festgesetzt. Nachdem mir der Fehler aufgefallen ist, habe ich unter Hinweis auf ein Büroversehen die Neufestsetzung beantragt. Der Bezirksrevisor meint, dass das wegen § 14 RVG und die erfolgte Ermessensausübung nicht möglich sei. Ist das zutreffend?

Antwort

Meine Antwort: An sich ist eine sog. Nachliquidation nicht möglich, da ja das Ermessen ausgeübt worden ist, und zwar auch, wenn nur die Mittelgebühr geltend gemacht worden ist. Denn auch das ist ja Ermessensausübung.[7] M.E. muss man anders argumentieren: In diesem Fall geht es ja nicht um § 14 RVG bzw. das falsch ausgeübte Ermessen, sondern um die falschen Gebührenziffern, die dem Erstattungsantrag zugrunde gelegt worden sind. Da aber bei einer übersehenen und daher nicht abgerechneten Gebührenziffer eine nachträgliche Liquidation als zulässig angesehen wird,[8] muss das auch bei einer falsch angesetzten Gebührenziffer geltend. Geltend gemacht werden kann dann aber auch nur die Mittelgebühr. Insoweit ist der Verteidiger an das einmal ausgeübte Ermessen gebunden.

Der Verteidiger hat mit der Begründung auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors erwidert und das Kostenfestsetzungsverfahren fortgeführt. Er hatte aber keinen Erfolg. Das OLG Celle meint, dass der Rechtsanwalt an sein nach § 14 Abs. 1 RVG einmal ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden ist. Eine Nachfestsetzung sei auch dann nicht möglich, wenn der Rechtsanwalt erkennbar entstandene Gebühren(tatbestände) fehlerhaft (nicht) geltend gemacht habe.[9] Diese Entscheidung ist m.E. falsch.[10]

[7] Zur Nachliquidation Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A: Rahmengebühr (§ 14), Rn 1738 ff. m.w.N.
[8] Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A: Rahmengebühr (§ 14), Rn 1740.
[9] OLG Celle RVGreport 2020, 55 = RVGprof. 2020, 29 = StraFo 2020, 173 = JurBüro 2020, 191 = Rpfleger 2020, 358.
[10] Vgl. die Anm. bei OLG Celle RVGreport 2020, 55.

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