1. Formelle Voraussetzungen

Bemittelte und unbemittelte Parteien sollen bei der Ausübung des rechtlichen Gehörs und des Zugangs zu den Gerichten gleichgestellt werden (Lissner/Dietrich/Schmidt, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., 2022, Rn 392c; Musielak/Voit/Fischer, ZPO, 20. Aufl., 2023, § 114 Rn 1). Dies sicherzustellen, ist die Aufgabe der PKH. Die Gewährung von PKH hängt dabei von subjektiven, objektiven und verfahrensmäßigen Voraussetzungen ab (Saenger/Kießling, ZPO, 10. Aufl., 2023, § 114 Rn 1).

Vorliegend ist von der ordnungsgemäßen Zuständigkeit des VG auszugehen. Ebenso ist aus der Begründung der Entscheidung des OVG nichts ersichtlich, dass bzgl. der Form des Antrages (vollständiges und unterschriebenes Formular gem. § 117 Abs. 1, 4 ZPO, § 1 PKHFV) Mängel vorliegen. Entsprechende Belege zu den persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen hat der Kläger ordnungsgemäß vorgelegt.

2. Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen

Gem. § 166 Abs. 1 VwGO, § 114 Abs. 1 S. 1 1 Hs. ZPO erhält eine Partei neben den weiteren zur Gewährung von PKH notwendigen Voraussetzungen, nämlich der zu bejahenden Erfolgsaussicht des zugrundeliegenden Anspruchs sowie dass das Begehren nicht mutwillig erscheinen darf, § 114 Abs. 1 S. 1 2 Hs. ZPO, dann PKH, wenn sie die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.

Persönlich antragsberechtigt sind in erster Linie die Beteiligten des Verfahrens, wozu der Kläger im vorliegenden Verfahren gem. § 63 VwGO gehört.

Der Kläger als bedürftige Partei hat zur Prozessfinanzierung sein Einkommen einzusetzen, hierzu gehören gem. § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (BeckOK ZPO/Vorwerk/Wolf/Reichling, 51. Ed., Stand: 1.12.2023, § 115 Rn 1). Zu diesen Einkünften zählen die Erwerbseinkünfte von Arbeitnehmern. Unter Erwerbstätigkeit fällt auch die Tätigkeit von Auszubildenden (LAG Köln, Beschl. v. 29.11.2011 – 1 Ta 289/11). Maßgebend ist dabei das Einkommen der bedürftigen Partei selbst, das sie auch tatsächlich erzielt. Der Kläger hat vorliegend seinen Berufsausbildungsvertrag von April 2021 vorgelegt, hiernach erhielt er im ersten Ausbildungsjahr eine monatliche Vergütung i.H.v. 890,00 EUR brutto. Der Vorlage weiterer einzelner Lohnnachweise – wie vom VG von dem Kläger verlangt wurde – bedarf es nicht. Die Vorlage des Berufsausbildungsvertrages, aus dem auch die zahlende monatliche Ausbildungsvergütung hervorgeht, genügt zum Nachweis des erzielten monatlichen Einkommens.

Gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b und Nr. 2a ZPO sind von dem ermittelten Einkommen Freibeträge abzusetzen. Zum einen ist der Freibetrag für die Partei selbst gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a ZPO abzusetzen. Dieser betrug bis zum 31.12.2023 552,00 EUR (ab 1.1.2024: 619,00 EUR). Der sog. Erwerbstätigkeitsfreibetrag gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b ZPO ist auch von einer Ausbildungsvergütung abzusetzen (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 56; LAG Köln, a.a.O.). Dieser betrug bis zum 31.12.2023 251,00 EUR (ab 1.1.2024: 282,00 EUR).

Weiter sind gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO die Kosten der Unterkunft und Heizung abzusetzen, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 59; BeckOK ZPO/Vorwerk/Wolf/Reichling, a.a.O., § 115 Rn 38). Der Kläger hat mit seinem PKH-Gesuch am 1.9.2021 einen Mietvertrag über eine Wohnung (1 1/2 Zimmer, Küche, Bad) vorgelegt, der einen monatlichen Mietzins i.H.v. 280,00 EUR festlegte. In diesem Vertrag war weiter vorgesehen, dass auf die Betriebskosten (Nebenkosten) eine monatliche Vorauszahlung i.H.v. damals 100,00 EUR zu zahlen war. Die geltend gemachten Unterkunftskosten nebst Betriebskosten liegen damit vorliegend in einem angemessenen Verhältnis zum erzielten monatlichen Einkommen i.H.v. monatlich 890,00 EUR.

Von dem einzusetzenden monatlichen Einkommen i.H.v. 890,00 EUR sind daher die oben genannten Freibeträge gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b und 2a ZPO i.H.v. 251,00 EUR und 552,00 EUR abzusetzen. Ferner sind die geltend gemachten Unterkunftskosten nebst Betriebskosten i.H.v. insgesamt 380,00 EUR monatlich abzuziehen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von einer ratenfreien PKH gem. § 115 Abs. 2 ZPO liegen damit unzweifelhaft vor.

3. Keine Mutwilligkeit

Weiter darf als materielle Voraussetzung die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheinen. Mutwille ist dann zu bejahen, wenn eine verständige Partei, die den Rechtsstreit auf eigene Kosten finanzieren müsste, von der Prozessführung absehen oder sie nicht in gleicher Weise vornehmen würde (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 432; BeckOK ZPO/Vorwerk/Wolf/Reichling, a.a.O., § 114 Rn 41; BVerfG, Beschl. v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88, 2 BvR 802/88, 2 BvR 887/88, 2 BvR 997/88, 2 BvR 1094/88, 2 BvR 1158/88, 2 BvR 1247/88, 2 BvR 1274/88, 2 BvR 1439/88, 2 BvR 1513/88, BeckR...

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