1. Gesetzliche Grundlagen

Gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG hat die obsiegende Partei keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten ihres Prozessbevollmächtigten. Das BAG hat darauf hingewiesen, dass es in § 64 Abs. 7 ArbGG für das Berufungsverfahren – ebenso übrigens wie in § 72 Abs. 6 ArbGG für das Revisionsverfahren – an einer Bezugnahme auf § 12a ArbGG fehle (s. BAG AGS 2016, 98 = RVGreport 2016, 109 [Hansens]). Deshalb bestimme sich die Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr nach § 91 ZPO.

2. Erstattungsrechtliche Grundsätze

Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten zu tragen, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendig waren. Für die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei bestimmt nach den weiteren Ausführungen des BAG § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO, dass diese in allen Prozessen zu erstatten seien. Folglich bilde diese Vorschrift insofern eine Ausnahme, als sie für ihren Anwendungsbereich von der grds. gebotenen Prüfung der Notwendigkeit entstandener Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entbinde (BAG, a.a.O.; BGH AGS 2018, 251 = zfs 2018, 344 m. Anm. Hansens = RVGreport 2018, 179 [Hansens]).

Allerdings unterliege auch dieser Erstattungsanspruch dem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbot. Danach treffe jede Partei die Verpflichtung, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lasse. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung könne dazu führen, dass das Erstattungsverlangen als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei und die unter Verstoß gegen Treu und Glauben zur Festsetzung angemeldeten Mehrkosten vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren abzusetzen seien (BAG, a.a.O.).

Das BAG hat darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts unabhängig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursachte Kosten i.S.d. Erstattungsrechts anzusehen seien. Deshalb sei es ohne Bedeutung, ob für das einzelne Verfahren Anwaltszwang besteht, weil sich eine Partei im Prozess grds. anwaltlicher Hilfe bedienen dürfe, ohne Kostennachteile befürchten zu müssen. Deshalb ist es nach den weiteren Ausführungen des BAG im Kostenfestsetzungsverfahren grds. nicht zu prüfen, ob die Partei für den Rechtsstreit einen Rechtsanwalt beauftragen durfte und dies objektiv notwendig war. Es sei allein die Frage maßgeblich, ob eine verständige Prozesspartei in der gleichen Situation ebenfalls einen Anwalt beauftragt hätte. Dies sei für einen Rechtsmittelgegner der Regelfall (BAG, a.a.O.).

3. Prüfungsmaßstab

Andererseits hindere § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO nicht die Prüfung, ob die einzelne Maßnahme des Prozessbevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Dabei sei Prüfungsmaßstab, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachlich ansehen durfte. Mithin sei auf die Sicht der Partei in der konkreten prozessualen Situation abzustellen und dann zu beurteilen, ob ein objektiver Betrachter aus diesem Blickwinkel die Sachdienlichkeit bejahen würde. Somit bestimme sich die Notwendigkeit aus der "verobjektivierten" ex-ante-Sicht der jeweiligen Prozesspartei und nicht nach einem rein objektiven Maßstab (BGH AGS 2018, 251 = zfs 2018, 344 m. Anm. Hansens = RVGreport 2018, 179 [Hansens]; BGH zfs 2018, 705 m. Anm. Hansens = RVGreport 2018, 461 [Ders.]).

In Anwendung dieser Grundsätze kann nach den weiteren Ausführungen des BAG die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht als zweckentsprechend angesehen werden, wenn sie offensichtlich nutzlos sei. Dies könne bspw. der Fall sein, wenn dem Rechtsmittelgegner gleichzeitig mit der Zustellung der Rechtsmittelschrift vom Rechtsmittelgericht mitgeteilt worden sei, dass aus formalen Gründen eine Verwerfung des Rechtsmittels ohne mündliche Verhandlung beabsichtigt sei und deshalb für ihn keine als risikohaft befundene Situation bestehe (BAG AGS 2016, 98 = RVGreport 2016, 109 [Hansens]). Eine anwaltliche Tätigkeit könne – so fährt das BAG fort – auch dann nicht notwendig sein, wenn das Gericht den Rechtsmittelführer darauf hinweise, dieser habe versäumt, sein Rechtsmittel in der dafür vorgesehenen Frist zu begründen und dieser weder Stellung nimmt noch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stelle.

4. Die Umstände im zu entscheidenden Fall

In Anwendung dieser Grundsätze war nach Auffassung des BAG die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten – jedenfalls soweit diese die nur geltend gemachte ermäßigte Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV ausgelöst hatte – im damaligen Zeitpunkt aus der maßgebenden Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei zur zweckentsprechenden Rechtsverteid...

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