§ 91 Abs. 1 ZPO; § 5 RVG

Leitsatz

  1. Hat der Hauptprozessbevollmächtigte einer Prozesspartei den Termin der mündlichen Verhandlung nicht selbst wahrgenommen, sondern stattdessen einen Vertreter mit Termins-Untervollmacht entsandt, dann ist hinsichtlich der Reisekosten grundsätzlich auf den Vertreter abzustellen. Sind dessen tatsächliche Auslagen betragsmäßig geringer als die fiktiven Auslagen des Hauptprozessbevollmächtigten, so sind Reisekosten nur in Höhe der tatsächlichen Kosten erstattungsfähig.
  2. Ein Abwesenheitsgeld ist nicht erstattungsfähig, wenn die Reise nicht durch den allgemeinen Stellvertreter oder einen angestellten Rechtsanwalt, sondern durch einen externen Unterbevollmächtigten ausgeführt wird.

OLG Naumburg, Beschl. v. 28.8.2021 – 2 W 40/21 (KfB)

I. Sachverhalt

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hatten die Verhandlungstermine vor dem LG Magdeburg in erster Instanz und vor dem OLG Naumburg in der Berufungsinstanz nicht selbst wahrgenommen. Mit der Terminsvertretung haben die Anwälte Terminsvertreter im eigenen Namen beauftragt. Für den Verhandlungstermin vor dem LG Magdeburg haben die Klägervertreter Rechtsanwalt J mit Kanzleisitz in B, das im Bezirk des LG Magdeburg liegt, und für die Vertretung in der zweiten Instanz Rechtsanwalt B mit Kanzlei in A beauftragt. Aufgrund der in beiden Instanzen zu ihren Gunsten ergangenen Kostenentscheidung hat die Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten beider Instanzen geltend gemacht. U.a. hat sie die Festsetzung je einer Terminsgebühr für die Wahrnehmung der beiden Verhandlungstermine als auch von – ersparten – Terminsreisekosten eines ihres Prozessbevollmächtigten nach Magdeburg und nach Naumburg einschließlich Tage- und Abwesenheitsgeld geltend gemacht. Wo die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gelegen ist, wird in den Beschlussgründen nicht mitgeteilt. Die Rechtspflegerin des LG Magdeburg hat den Kostenfestsetzungsanträgen der Klägerin hinsichtlich der vorgenannten Positionen entsprochen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Beklagte geltend gemacht, erstattungsfähig sei nur die jeweils die durch die Vertretung der Terminsvertreter angefallene Terminsgebühr, nicht jedoch Aufwendungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin für den Terminsvertreter oder für fiktive Terminsreisekosten. Die sofortige Beschwerde der Beklagten hatte vor dem OLG Naumburg teilweise Erfolg.

II. Kostenerstattung

1. Terminsgebühren

Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins vor dem LG Magdeburg und die Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins vor dem OLG Naumburg waren der Klägerin angefallen, weil ihre Prozessbevollmächtigten diese Termine durch den jeweils von ihnen beauftragten Terminsvertreter, Rechtsanwalt J und Rechtsanwalt B, haben wahrnehmen lassen (siehe § 5 RVG). Gegen die Festsetzung dieser Terminsgebühren hatte sich die Beklagte nicht gewandt. Gleichwohl hat das OLG Naumburg ausgeführt, die Prozessbevollmächtigten der Kläger hätten diese Terminsgebühren deshalb berechnen dürfen, weil die jeweiligen Terminsvertreter deren Erfüllungsgehilfen gewesen seien und die Terminsgebühr für sie, die Hauptbevollmächtigten, verdient hätten. Aus diesem Grunde könnten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die volle Vergütung – hier also die Terminsgebühren – verlangen, die sie auch erhalten hätten, wenn sie die entsprechende Tätigkeit selbst ausgeführt hätten. Das OLG Naumburg hat darauf hingewiesen, dass diese Terminsgebühren gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO erstattungsfähig seien, was die Beklagte auch nicht in Zweifel gezogen habe.

2. Terminsreisekosten

a) Fahrkosten

Die Rechtspflegerin des LG Magdeburg hatte entsprechend dem Antrag der Klägerin für die Berechnung der Fahrtkosten auf die fiktiven Kosten der Prozessbevollmächtigten selbst abgestellt. Welche Fahrtkosten die Klägerin geltend gemacht hat und welches Verkehrsmittel sie dabei angesetzt hatte, lässt sich den Beschlussgründen nicht entnehmen. Nach den Ausführungen des OLG Naumburg hatte die Beschwerde der Klägerin insoweit Erfolg, als die Rechtspflegerin für die Terminsreisekosten auf die fiktiven Kosten der Prozessbevollmächtigten selbst abgestellt hatte. Wenn nämlich eine Stellvertretung gem. § 5 RVG vorliege, sei auch hinsichtlich der Fahrtkosten auf den Vertreter abzustellen und nicht auf die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die unstreitig keinen der Verhandlungstermine selbst wahrgenommen hätten. Bei der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten geht es nach den weiteren Ausführungen des OLG Naumburg um Auslagen des Prozessbevollmächtigten. Diese seien nur erstattungsfähig, wenn sie auch tatsächlich angefallen seien. Dies folgert das OLG aus Vorbem. 7 Abs. 1 VV, wonach der Rechtsanwalt Ersatz von "entstandenen" Auslagen verlangen könne.

Das OLG Naumburg hat deshalb nur folgende – fiktive – Terminsreisekosten berücksichtigt:

aa) Erste Instanz

Die Reisekosten erster Instanz hat das OLG nur i.H.v. 57,00 EUR als erstattungsfähig angesehen. Dabei hat das OLG die Reisekos...

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