Nach § 52 Abs. 2 RVG kann der gerichtlich bestellte Rechtsanwalt vom Angeklagten die Zahlung der Gebühren eines Wahlverteidigers nur verlangen, soweit dem Angeklagten ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht oder nachdem das Gericht des ersten Rechtszuges auf Antrag des Rechtsanwalts nach Anhörung des Angeklagten festgestellt hat, dass dieser ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts zur Zahlung in der Lage ist. Letztere Prüfung sei – so das OLG Brandenburg – vorgesehen, weil die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger den Angeklagten kraft Gesetzes verpflichtet, dem Rechtsanwalt die Gebühren eines Wahlverteidigers zu zahlen. Diese Verbindlichkeit entstehe ohne Rücksicht darauf, ob der Angeklagte zu einer solchen Leistung willens und in der Lage sei. Der Gesetzgeber habe die Geltendmachung solcher Forderungen nur zulassen können, ohne dass unerträgliche Härten entstanden, wenn die vorherige Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten sichergestellt sei (vgl. BGH NJW 1980, 1394).

Vorliegend haben nach Auffassung des OLG die Voraussetzungen für die Feststellung der Leistungsfähigkeit des Angeklagten vorgelegen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit seien die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, § 52 Rn 60). Zwar können zur Prüfung der Leistungsfähigkeit eines Angeklagten, so wie es das LG getan habe, die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe bzw. über Pfändungsgrenzen herangezogen werden. Maßgeblicher Prüfungsansatz bleibe indes eine auszuschließende Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts. Unterhaltspflichten des Angeklagten bestünden nicht, sodass es vorliegend ausschließlich darauf ankomme, ob durch die Zahlung der Differenzgebühr der eigene notwendige Unterhalt des Angeklagten in Gefahr wäre. Dies könne der Senat ausschließen.

Der Angeklagte sei seit dem 6.2.2019 inhaftiert und habe ausweislich der vorgelegten Verdienstbescheinigung durch Arbeit in der Justizvollzugsanstalt im Jahr 2020 lediglich ein Nettoeinkommen von insgesamt 2.166,34 EUR und für die ersten beiden Monate des Jahres 2021 ein Nettoeinkommen von insgesamt 549,40 EUR erzielt. Der Unterhalt des Angeklagten sei trotz seiner geringen Einkünfte gleichwohl gesichert. Derzeit werde gegen ihn nämlich die Freiheitsstrafe von fünf Jahren aus dem Urteil des LG Neuruppin vollstreckt. Das Urteil des LG Berlin sei zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen, sodass die Vollstreckung der weiteren ausgeurteilten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ebenfalls anstehe. Soweit keine Gesamtstrafe gebildet werde, wäre gemeinsamer 2/3Termin der 13.5.2024, das Strafende würde am 15.10.2026 eintreten. Kosten für Unterkunft und Verpflegung fielen für den Angeklagten danach bis auf Weiteres nicht an. Zwar sei der Angeklagte aufgrund seiner geringen Einkünfte nicht in der Lage, die Differenzgebühr aus seinen Einnahmen zu bestreiten. Bei der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen seien aber auch Ansprüche, die der Angeklagte gegenüber Dritten habe (vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., § 52 Rn 61). Dazu zähle vorliegend der Anspruch des Angeklagten gegenüber dem Pflichtverteidiger auf Auszahlung der vom Jugendamt auf dessen Konto überwiesenen 4.749,50 EUR, abzgl. der bereits an den Angeklagten gezahlten 150,00 EUR (= 4.599,50 EUR). Aufgrund des ihm zustehenden und auch realisierbaren Anspruchs auf Zahlung von 4.599,50 EUR sei der Angeklagte hiernach als leistungsfähig anzusehen, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts, die im hiesigen Verfahren angefallenen Gebühren eines gewählten Verteidigers (Differenzgebühr) jedenfalls bis zu einer Höhe von 2.241,96 EUR zu zahlen. Dieser Betrag ergebe sich daraus, dass von den zur Verfügung stehenden 4.599,50 EUR bereits ein Betrag i.H.v. 2.357,54 EUR als Differenzgebühr für das Verfahren vor dem LG Berlin als verbraucht zu gelten habe.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge