1. Nachfestsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren

In der Praxis kommt es gelegentlich vor, dass in einem Kostenfestsetzungsantrag eine oder gar mehrere Kostenpositionen vergessen worden sind. Oder aufgrund einer Änderung der Rspr. ergibt sich, dass dem Erstattungsberechtigten ein höherer Erstattungsanspruch zusteht, als er in seinem ersten Kostenfestsetzungsantrag berücksichtigt hat. Dann stellt sich die Frage, auf welchem Wege der Erstattungsberechtigte die zunächst noch nicht berücksichtigte Kostenposition doch noch festgesetzt erhält.

Im Regelfall, der auch hier vorgelegen hat, hat der Rechtspfleger dem (ersten) Kostenfestsetzungsantrag in vollem Umfang stattgegeben, sodass der Antragsteller mangels Beschwer des Erstattungsberechtigten die Einlegung einer befristeten Erinnerung oder sofortigen Beschwerde unzulässig wäre. Außerdem sind in der Praxis meist die Rechtsbehelfsfristen längst verstrichen, wenn der Erstattungsberechtigte bemerkt, dass ihm ein höherer Erstattungsanspruch zusteht als geltend gemacht. Eine Beschwer kann auch nicht nachträglich dadurch hergeleitet werden, dass der Antragsteller neue Kostenpositionen, über die der Rechtspfleger in dem angefochtenen Beschluss gar nicht entschieden hat, nachschiebt (s. OLG Bamberg JurBüro 1983, 129; OLG Frankfurt JurBüro 1978, 449). In einem solchen Fall ist dann lediglich eine Nachfestsetzung nach Maßgabe der folgenden Ausführungen zulässig.

2. Zulässigkeit der Nachfestsetzung

Die materielle Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses steht einer erneuten Kostenfestsetzung entgegen, soweit derselbe Streitgegenstand betroffen ist (BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens]; BGH BRAGOreport 2003, 57 [Ders.] = JurBüro 2003, 260; BPatG zfs 2023, 101 m. Anm. Hansens = AGS 2022, 521 [Hansens]). Versehentlich in einem ersten Kostenfestsetzungsverfahren nicht geltend gemachte Posten sind demgegenüber der Nachliquidation zugänglich (BVerfG NJW 1995, 1886; BGH NJW 2009, 3104; FamRZ 2011, 1222; BGH RVGreport 2011, 28 [Hansens] = zfs 2011, 101 m. Anm. Hansens = AGS 2010, 580 m. zust. Anm. N. Schneider; OLG München MDR 2003, 55; OLG Düsseldorf AGS 2006, 201; OLG Stuttgart RVGreport 2009, 312 [Hansens]; OLG Celle AGS 2010, 582 m. zust. Anm. N. Schneider; LG Trier JurBüro 2012, 250; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 104 Rn 21.61 "Nachliquidation" m.w.N.).

Ob ein solcher Fall vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Hat der Erstattungsberechtigte in seinem ersten Kostenfestsetzungsantrag seinen gesamten Erstattungsanspruch geltend gemacht, gibt er damit zu erkennen, dass er eben diesen ganzen Anspruch und nicht nur einen Teil davon festgesetzt haben will. In einem solchen Fall sollte kein Rest zurückgestellt werden, der einer Nachforderung und damit einer Nachfestsetzung zugänglich gewesen wäre. Über diesen Anspruch hat dann der Rechtspfleger rechtskräftig entschieden (so BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens]).

a) Nachfestsetzung unzulässig

In Anwendung dieser Grundsätze ist eine Nachfestsetzung in folgenden Fällen unzulässig:

Die erstattungsberechtigte Partei stellt nach gesetzlicher Änderung der Zinshöhe einen Antrag auf Ergänzung der Verzinsung des Erstattungsbetrags (so JurBüro 2003, 260 = BGH BRAGOreport 2003, 57 [Hansens] = NJW 2003, 1462).
Der Nachfestsetzungsantrag wird auf einen höheren Gegenstandswert gestützt als der Antragsteller in seinem ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag zugrunde gelegt hat. In dem vom BGH (RVGreport 2011, 309 [Hansens] = AGS 2011, 566 m. Anm. N. Schneider) entschiedenen Fall wurde im Nachfestsetzungsantrag unter Ansatz eines weit höheren Gegenstandswerts als in dem beschiedenen Kostenfestsetzungsantrag eine um rund 98.000,00 EUR höhere Verfahrensgebühr geltend gemacht. Der Rechtspfleger hatte dem Nachfestsetzungsantrag entsprochen. Wird also versehentlich ein zu niedriger Gegenstandswert angesetzt, so kann dies nach Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses im Regelfall nicht durch einen Nachfestsetzungsantrag korrigiert werden.
Eine Nachfestsetzung ist auch dann unzulässig, wenn die erstattungsberechtigte Partei in ihrem Kostenfestsetzungsantrag irrtümlich von der Geltung des alten Gebührenrechts ausgegangen ist (a.A. OLG Köln RVGreport 2016, 380 [Hansens] = zfs 2016, 588 m. Anm. Hansens = AGS 2016, 473). Mit einem Nachfestsetzungsantrag kann dann nicht mehr die sich aus dem neuen Gebührenrecht ergebende Gebührendifferenz geltend gemacht werden. Auch hier steht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Nachfestsetzung entgegen (BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens] = AGS 2011, 566 m. Anm. N. Schneider für die Nachliquidation nach einem höheren Gegenstandswert; a.A. OLG Hamburg MDR 1979, 235). Hierauf sollte gerade im Hinblick auf die Änderungen des RVG zum 1.1.2021 durch das KostRÄG 2021 geachtet werden (zum Übergangsrecht s. ausführlich N. Schneider, AGS 2021, 1 ff.).

b) Nachfestsetzung zulässig

Demgegenüber wird trotz der eingetretenen Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses die Nachfestsetzung in folgende...

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