Im Aufsatzteil befasst sich Lissner mit der Entwicklung der Beratungshilfe in den Jahren 2022/2023 und Burhoff gibt eine Rechtsprechungsübersicht zu den Teilen 4–7 VV aus dem Jahr 2023, beginnend mit Teil 1, der Übersicht über den Paragraphenteil. Der Beitrag wird in Heft 2 mit der Übersicht zum Vergütungsverzeichnis fortgesetzt.

Ein Dauerthema ist die Frage, wie die Gebühren in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren zu bemessen sind. Viele Gerichte gehen davon aus, dass in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grds. von unterdurchschnittlichen Gebührenbeträgen auszugehen sei, da diese im Vergleich zu anderen Bußgeldverfahren nur geringe Bußgelder vorsehen würden, so auch das LG Koblenz (S. 17). Dabei wird übersehen, dass Bußgeldverfahren mit straßenverkehrsrechtlichem Einschlag faktisch der Regelfall sind und der Gesetzgeber keine Unterscheidung gewollt hat. Die geringere Bedeutung hat er bereits dadurch berücksichtigt, dass er gestaffelte Gebührenbeträge vorsieht, je nach Höhe der Geldbuße.

Mit der Frage, wie abzurechnen ist, wenn der Anwalt zunächst für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen und später als Voll-Pflichtverteidiger beigeordnet wird, hatte sich das OLG Zweibrücken (S. 21) zu befassen. Es hat klargestellt, dass insoweit nur eine einzige Angelegenheit vorliege und der Anwalt die Gebühren nur einmal erhalte.

Eine für die Praxis äußerst wichtige Entscheidung hatte der BGH (S. 22) zur Anrechnung der Geschäftsgebühr getroffen. In dem entschiedenen Fall ging es darum, dass ein Haftpflichtversicherer vorgerichtlich die gesamten Schadensbeträge reguliert, sich aber geweigert hatte, die daraus angefallenen Geschäftsgebühren zu erstatten. Es wurde dann Klage auf Zahlung der Geschäftsgebühren erhoben. Diese Geschäftsgebühren wurden dann im Laufe des Verfahrens gezahlt, sodass sich im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren die Frage stellte, ob in diesem Fall nach § 15a Abs. 2 RVG a.F. = § 15a Abs. 3 RVG n.F. die Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen sei. Der BGH hatte dies bejaht und in einer wertenden wirtschaftlichen Betrachtung denselben Gegenstand angenommen. Die Entscheidung ist im Ergebnis unzutreffend, weil die Geschäftsgebühr nicht Gegenstand der vorgerichtlichen Tätigkeit ist. Die Praxis wird mit dieser Fehlentscheidung allerdings wohl leben müssen. In der Sozialgerichtsbarkeit wird diese Frage i.Ü. anders beantwortet und eine Anrechnung abgelehnt.

Das OVG Lüneburg (S. 26) bestätigt die ganz überwiegende Rspr., dass der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG auch für eine Erinnerung gegen die Festsetzung der PKH-Vergütung gelte. Wie die sonstige Rspr. verkennt das OVG Lüneburg, dass es sich bei dem Festsetzungsverfahren der PKH-Vergütung nach dem RVG um ein eigenständiges Verfahren handelt und dass hier die Vorschriften der jeweiligen Verfahrensordnung nicht anwendbar sind. Diese gesetzeswidrige Praxis lässt sich nur damit erklären, dass die Gerichte offenbar zu ihrer eigenen Entlastung solche Beschwerden nicht zulassen wollen.

Das LG Augsburg (S. 29) stellt klar, dass eine Einlassung in einem Termin nach § 115 StPO bereits ein Verhandeln i.S.d. Nr. 4102 Nr. 3 VV darstellt.

Dass eine vereinbarte Vergütung zwar zu erstatten ist, jedoch nur insoweit, als sie nicht über die gesetzliche Vergütung hinausgeht, ist einhellige Rspr. Das OVG Lüneburg (S. 33) hat dies noch einmal bestätigt.

Mit der Frage, in welchem Umfang Kosten für großformatige Kopien (hier für Bebauungspläne) zu erstatten sind, wenn die Kopien extern hergestellt werden, hat sich das OVG Münster (S. 35) befasst.

Interessant ist auch die Entscheidung des OLG Karlsruhe (S. 42). Dort war 20 Jahre nach Abschluss des Verfahrens eine Nachfestsetzung hinsichtlich der anwaltlichen Reisekosten beantragt worden. Begründet wurde die Nachfestsetzung insbesondere mit der geänderten Rspr. Das LG hatte den Festsetzungsantrag wegen Verwirkung zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg. Das OLG Karlsruhe hat zum einen darauf hingewiesen, dass der Einwand der Verwirkung als materiell-rechtlicher Einwand nicht im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen sei. Zum anderen hat es darauf hingewiesen, dass neben dem Zeitmoment auch ein Umstandsmoment erforderlich sei. Es hat daher antragsgemäß festgesetzt.

Mit der Frage, ob und inwieweit in einem JGG-Verfahren dem zur Tatzeit jugendlichen Verurteilten die Kosten des Verfahrens auferlegt werden können, hat sich das OLG Nürnberg (S. 37) befasst.

Besondere Aufmerksamkeit hat auch die Entscheidung des LG München I (S. 47) erfahren. Dort war ein Anwalt zum Termin angereist, der aber abgesagt worden war. Der Anwalt hatte die Abladung per beA nicht mehr mitbekommen, da er aus Sicht des LG München I ohne Grund zu früh losgefahren sei und er auch unterwegs sein beA nicht mehr abgefragt habe. Das Gericht hat daher die Reisekosten als nicht erstattungsfähig angesehen.

 

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