Beispiel 1

Das Verfahren 1 richtet sich gegen die Angeklagten A und B, gegen die Anklage erhoben wird. In der Hauptverhandlung wird das Verfahren gegen den A abgetrennt und gegen den B, der nur von einem Anklagevorwurf betroffen war, durch Urteil beendet. Nach der Urteilsverkündung wird das Verfahren gegen den A fortgesetzt. Auch er wird am selben Tag verurteilt.

Welche Gebühren sind für den Rechtsanwalt R, der den A von Anfang an vertreten hat, entstanden?

Für die Abrechnung gilt:

Entstanden sind für den R die Grundgebühr Nr. 4100 VV und die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV für die Vertretung im vorbereitenden Verfahren. Außerdem sind die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV und die Terminsgebühr Nr. 4108 VV angefallen. Mit der Abtrennung des Verfahrens gegen den A ist nicht noch eine zweite Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV entstanden. Es handelt sich bei der Verteidigung des A, bei dem sich der Verfahrensgegenstand nicht geändert hat, um dieselbe Angelegenheit, sodass nach § 15 Abs. 2 RVG die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV nicht noch einmal entstehen kann.[10]

 

Beispiel 2

Gegen den Beschuldigten B wird wegen drei Diebstahlstaten und wegen Hehlerei ermittelt. Wegen dieser Taten wird er beim AG angeklagt. Dieses trennt vor der Hauptverhandlung das Verfahren wegen der Hehlerei ab und stellt das Verfahren später aufgrund der Einwendungen des Verteidigers ein. Wegen der Diebstahlstaten wird die Hauptverhandlung durchgeführt. Das ergehende Urteil wird rechtskräftig. B ist von Anfang an von Rechtsanwalt R verteidigt worden. Alle Merkmale des § 14 Abs. 1 RVG sind durchschnittlich.

Bei der Abrechnung der beiden Verfahren folgt jedes Verfahren seinen eigenen Regeln. Entstanden sind daher folgende Gebühren:

Bis zur Trennung sind im vorbereitenden Verfahren mit beiden Vorwürfen die Grundgebühr Nr. 4100 VV, die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV sowie die Postentgeltpauschale entstanden.

Nach der Trennung sind im gerichtlichen Verfahren 1 mit dem Hehlereivorwurf, das eingestellt worden ist, die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren Nr. 4106 VV und die zusätzliche Gebühr Anm. 1 Ziff. 1 zu Nr. 4141 VV i.V.m. der Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV entstanden.

Die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV entsteht in dem Ursprungsverfahren nach der Trennung nicht noch einmal. Nach der Anm. 1 zu Nr. 7002 VV kann diese Pauschale in derselben Angelegenheit nur einmal entstehen. Sie ist aber im Ursprungsverfahren 1 bereits einmal entstanden. Die Trennung führt nicht zu einer neuen/weiteren "Angelegenheit nach Trennung".[11] Allerdings können weitere Auslagen, die nach der Trennung entstanden sind, zusätzlich zu den Auslagen, die schon vor der Trennung in dem führenden Verfahren angefallen sind, abgerechnet werden,[12] so z.B. weitere Fotokopien.

Im gerichtlichen Verfahren 2 mit den Diebstahlstaten, in dem die Hauptverhandlung stattgefunden hat, sind die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV (gerichtliches Verfahren) Terminsgebühr Nr. 4108 VV (gerichtliches Verfahren) sowie die Postentgeltpauschale entstanden.

Im gerichtlichen Verfahren 2 entsteht nicht noch einmal eine Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV. Der Verfahrensabschnitt "Vorbereitendes Verfahren" ist nach der Anm. zu Nr. 4104 VV mit Anklageerhebung beendet. Im Verfahren 2 entsteht, da es sich um eine eigenständige Angelegenheit handelt, die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV jedoch (noch einmal).

Wird die Hauptverhandlung in den getrennten Verfahren am selben Kalendertag fortgesetzt, hat das auf die Entstehung der Terminsgebühr keinen Einfluss. Denn es wird nicht etwa dieselbe Hauptverhandlung in zwei getrennt aufgerufenen Terminen an einem Hauptverhandlungstag durchgeführt, sondern es findet jeweils ein Hauptverhandlungstag in jedem der selbstständigen Verfahren statt.[13]

In der Praxis ist bei der Bemessung der gerichtlichen Verfahrensgebühren zu berücksichtigen, dass die in den Verfahren verbliebenen Tatvorwürfe unterschiedliches Gewicht haben. Das Verfahren 2 enthält noch zwei Tatvorwürfe. Das darf bei der Bemessung der konkreten Gebühr nicht übersehen werden.[14]

 

Beispiel 3

Im Beispiel 2 wird das Verfahren 2 nicht erst nach Anklageerhebung abgetrennt, sondern bereits von der Staatsanwaltschaft, die dann in beiden Verfahren Anklage erhebt. Im Ursprungsverfahren wird dann vom Amtsrichter eine eintägige Hauptverhandlung durchgeführt. Das Verfahren 2 wird später eingestellt.

Es gilt für die Abrechnung:

Gegenüber der Abrechnung im Beispiel 2 tritt insoweit eine Änderung ein, als nun auch im Verfahren 2 die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV entsteht. Der Verfahrensabschnitt vorbereitendes Verfahren ist noch nicht beendet (s. die Anm. zu Nr. 4104 VV).

I.Ü. bleibt es bei der Abrechnung wie im Beispiel 1: Im Ursprungsverfahren 1 entsteht die gerichtliche Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV und dann eine Terminsgebühr Nr. 4108 VV für die Teilnahme an der Hauptverhandlung. Im Verfahren 2 entsteht neben der Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV die zusätzliche Gebühr Anm. 1 Ziff. 1 zu Nr. 4141 VV.

 

Beispiel 4

Dem Beschuldigten ...

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