Diese Auffassung hat für das Strafbefehlsverfahren zur Folge – so das LG –, dass die Bestellung des Pflichtverteidigers zweifellos endet, wenn der Strafbefehl in Rechtskraft erwächst. Lege der Angeschuldigte hingegen Einspruch ein, sei zu differenzieren:

Sei eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten, habe die Bestellung schon nach § 140 Abs. 2 StPO fortzudauern. Sei hingegen, wie hier, eine darunterliegende Freiheitsstrafe zu erwarten, so könne die Bestellung im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts nach § 143 Abs. 2 S. 1 StPO aufgehoben werden (vgl. Meyer/Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., 2021, § 408b Rn 10). § 143 Abs. 2 S. 1 StPO sei aufgrund der dargestellten Grundsätze ebenfalls im Verfahren nach § 408b StPO anwendbar. Eine besondere Regelung für die Beendigung der Beiordnung nach § 408b StPO existiere nicht, es bleibe daher bei der allgemeinen Regelung.

Eine solche Regelung erscheint dem LG auch sachgerecht. Zwar ergehe die Entscheidung nicht mehr im schriftlichen Strafbefehlsverfahren, es könnten jedoch dennoch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes für eine Fortwirkung der notwendigen Verteidigung sprechen. Diesen Gesichtspunkten könne das Gericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 143 Abs. 2 S. 1 StPO angemessen Rechnung tragen (so auch BR-Drucks 364/19, 53). Auf diese Weise könne auch eine unangemessene Benachteiligung eines Angeklagten im Anklageverfahren verhindert werden, da das AG nach Einlegung des Einspruches noch einmal prüfen kann, ob Gründe vorliegen, welche die Fortwirkung der Pflichtverteidigerbestellung rechtfertigen. Eine automatische Beendigung der Beiordnung, für den Fall, dass deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, sei jedoch weder im Anklageverfahren, noch im Strafbefehlsverfahren vorgesehen. Der Gesetzgeber habe sich daher in der Gesetzbegründung zum "Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung" v. 10.12.2018 klar positioniert; die Beiordnung soll bei Abschluss des Verfahrens oder aufgrund einer Ermessensentscheidung des Gerichts enden. Eine solche Ermessensentscheidung sei hier jedoch vom AG nicht getroffen worden, vielmehr sei das AG davon ausgegangen, dass die Pflichtverteidigerbestellung nach § 408b StPO automatisch mit Einspruchseinlegung ende und es daher gar keine eigene Ermessensentscheidung mehr zu treffen habe.

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