§§ 114 Abs. 1, 115, 118 Abs. 2 ZPO

Leitsatz

Gibt die Antragstellerin in einem Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren an, dass sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts eine lediglich nur äußerst geringfügige Rente erhält, so hat sie darzulegen und glaubhaft zu machen, wie sie damit ihren Lebensunterhalt finanziert, ggfs. sind darüber hinaus gewährte freiwillige Leistungen Dritter etwa auch mittels eidesstattlicher Versicherungen nachzuweisen. Kommt die Antragstellerin ihrer Verpflichtung zur Aufklärung nicht, nur unvollständig oder widersprüchlich nach, ist ihr Begehren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtsmissbräuchlich und daher abzulehnen.

BGH, Beschl. v. 27.7.2021 – XI ZA 1/21

I. Sachverhalt

Im Rahmen einer von der Antragstellerin beantragten Prozesskostenhilfe (PKH) in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gegen ein Urteil des Berufungsgerichts (OLG Köln, Beschl. v. 13.1.2021 – 13 U 82/14) hat diese im Februar 2021 mittels Telefax eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Nachweisen eingereicht. Mit einem weiteren Telefax hat diese ihren PKH-Antrag begründet. Am 28.5.2021 wurde die Antragstellerin aufgefordert, die Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen bis zum 18.6.2021 zu ergänzen, zu erläutern sowie entsprechende Nachweise einzureichen. In Schreiben vom 4.6., 18.6. sowie 26.6.2021 hat sie diese Angaben ergänzt und auch teilweise Belege vorgelegt.

Verfügt eine Partei nicht über die finanziellen Mittel zur Einlegung des Rechtsmittels, wird dieser auf Antrag Wiedereinsetzung in eine versäumte Rechtsmittelfrist gewährt, wenn sie innerhalb dieser Rechtsmittelfrist einen PKH-Antrag bei Gericht gestellt und alles in ihren Kräften Stehende getan hat, damit über diesen Antrag ohne Verzögerung entschieden werden kann. Hierzu hat sie neben dem PKH-Antrag auch eine vollständige und wahrheitsgemäß ausgefüllte Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen unter Verwendung des amtlich vorgeschriebenen Formulars gem. § 117 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 und 4 ZPO, § 1 Abs. 1 PKHFV nebst den erforderlichen Nachweisen vorzulegen (BGH, Beschl. v. 5.2.2013 – XI ZA 13/12).

Weil die Antragstellerin vorliegend auch nach Ablauf der ihr für ergänzende Angaben und zur Auflösung von Widersprüchen gesetzten Frist keine hinreichend zuverlässigen, vollständigen und widerspruchsfreien Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat, liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH nicht vor, § 118 Abs. 2 S. 1 und 4 ZPO. Die Antragstellerin konnte die Vermutung, dass bestimmte Einkünfte nicht angegeben wurden, nicht ausräumen. Der XI. Zivilsenat des BGH hat am 27.7.2021 den Antrag auf Bewilligung von PKH für die Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Berufungsgerichts abgelehnt.

II. Subjektive Voraussetzung zur Gewährung von Prozesskostenhilfe gem. §§ 114 Abs. 1 S. 1 1 HS, 115 Abs. 1 und 2 ZPO

Gem. § 114 Abs. 1 S. 1 1 HS ZPO erhält eine Partei – ungeachtet der weiteren zur Gewährung von PKH notwendigen Voraussetzungen wie bspw. der zu bejahenden Erfolgsaussicht des zugrundeliegenden Anspruchs oder dass das Begehren nicht mutwillig erscheinen darf, § 114 Abs. 1 S. 1 2 HS ZPO – PKH, wenn sie die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.

Gem. § 115 Abs. 1 und 2 ZPO hat die Antragstellerin neben dem zumutbar einzusetzenden Vermögen (§ 115 Abs. 3 ZPO, § 90 SGB XII) ihr frei verfügbares Einkommen einzusetzen. Die Definition von Einkommen lehnt sich dabei an § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII und damit an die sozialrechtlichen Regeln an (Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., 2022, § 115 Rn 2). Dabei stellt die Summe aller Einkünfte das Einkommen dar, es sind alle von der Antragstellerin erhaltenen Einkünfte zu berücksichtigen (Musielak/Voit/Fischer, ZPO, 18. Aufl., 2021, § 115 Rn 2). Entscheidend sind dabei die tatsächlichen Einkünfte allein der Antragstellerin (Zöller/Schultzky, a.a.O., § 115 Rn 3, 5).

Zum Einkommen zählen auch Geldleistungen, die in Form einer Rente gewährt werden (MüKo ZPO/Wache, 6. Aufl., 2020, § 115 Rn 17; Lissner/Dietrich/Schmidt, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., 2022, Rn 35). Ebenso zählen zum Einkommen freiwillige Leistungen Dritter, wenn diese regelmäßig und in nennenswerten Umfang geleistet werden (Zöller/Schultzky, a.a.O., § 115 Rn 23a; BGH MDR 2018, 115). Dies gilt auch für den Fall, dass die Antragstellerin Zuwendungen von wechselnden Personen in unterschiedlicher Höhe erhalten würde (BGH, Beschl. v. 27.11.2018 – X ZA 1/17). Die Leistungen müssen dabei auch nicht in Erfüllung von Unterhaltspflichten erfolgen.

III. Glaubhaftmachung und Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, § 118 Abs. 2 ZPO

Die Antragstellerin hat im PKH-Prüfungsverfahren darzulegen und glaubhaft zu machen, wie sie ihren Lebensunterhalt insgesamt finanziert. Bezieht die Antragstellerin nach ihren eigenen Angaben wie im vorliegenden Fall nur einen äußerst geringfügigen Geldbetrag aus einer Rente und macht darüber hinaus keine weiteren Angaben, woraus sie neben der nur geringen Rente ihren Lebensunterhalt finanziert, ...

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