Der Sache nach ist die Entscheidung des OLG München richtig. Das OLG hätte jedoch den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin nicht in vollem Umfang aufheben dürfen.

1. Prüfungsbefugnis des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren

Im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO hat der damit befasste Rechtspfleger lediglich zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten das diesem zugrunde liegenden Verfahren betreffen, ob sie entstanden sind und ob sie notwendig waren. In diesem Rahmen hat der Rechtspfleger auch über zwischen den Parteien des Festsetzungsverfahrens umstrittene Fragen zu entscheiden. Dies gilt allerdings nicht, soweit zwischen den Beteiligten des Kostenfestsetzungsverfahrens unterschiedliche Auffassungen über die Höhe des den Anwaltsgebühren zugrunde gelegten Gegenstandswertes bestehen. In einem solchen Fall darf der Rechtspfleger diesen Gegenstandswert nicht selbst ermitteln (BGH NJW-RR 2014, 892; OLG Koblenz AGS 2019, 286 m. Anm. N. Schneider; OLG Brandenburg AGS 2014, 65; OLG Düsseldorf AGS 2010, 568; Dörndorfer in: von Eicken/Hellstab/Dörndorfer/Asperger, Die Kostenfestsetzung, 23. Aufl., Rn B 67). Vielmehr hat der Rechtspfleger das Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend § 11 Abs. 4 RVG, § 148 ZPO auszusetzen, um den zwischen den Beteiligten des Kostenfestsetzungsverfahrens umstrittenen Gegenstandswert durch das Prozessgericht gesondert festsetzen zu lassen.

Dies gilt auch in dem Fall, in dem eine gerichtliche Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwertes vorliegt, eine der Parteien des Kostenfestsetzungsverfahrens jedoch geltend macht, für die Berechnung einer oder sämtlicher Anwaltsgebühren sei ein hiervon abweichender Gegenstandswert zu berücksichtigen. Das hatte hier die Beklagte in ihrem Schreiben vom 26.5.2020 geltend gemacht.

2. Gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes

Grundsätzlich ist gem. § 32 Abs. 1 RVG die gerichtliche Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wertes (Streitwert) auch für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgebend. Nur in den in § 33 Abs. 1 RVG geregelten Fällen kommt die gesonderte Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren in Betracht:

Es fehlt an einem Streitwert. Diese Fallgestaltung lag hier nicht vor, da der BGH hier den Streitwert zutreffend nach § 47 Abs. 3 und Abs. 1 S. 1 GKG bestimmt hat.
Die Anwaltsgebühren für die Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren berechnen sich nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Streitwert. Diese Fallgestaltung ist einmal dann gegeben, wenn für die Anwaltsgebühren besondere Wertvorschriften bestehen, etwa nach den §§ 28 Abs. 1, 31b oder 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG.
Oder es bestehen zwar identische Wertvorschriften, der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit deckt sich nicht mit dem der anwaltlichen Tätigkeit. Dies kann etwa dann gegeben sein, wenn der Rechtsanwalt nur einen von mehreren Beteiligten vertritt (s. BGH NJW 1968, 2334 = JurBüro 1969, 45), was insbesondere im Erbscheinsverfahren häufig vorkommen kann (s. Bay.ObLG JurBüro 1992, 166).
Ferner liegt ein die abweichende Festsetzung des Gegenstandswertes rechtfertigender Fall dann vor, wenn und soweit die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Festsetzung des Streitwertes für die Gerichtsgebühren unberücksichtigt bleibt (BGH RVGreport 2018, 150 [Hansens] = AGS 2018, 60). Dabei ist für die Festsetzung des Gegenstandswertes die auftragsgemäß erbrachte anwaltliche Leistung maßgebend. Im Fall des BGH (RVGreport 2020, 472 [Hansens]) war bei der Festsetzung des Streitwertes die Hilfsaufrechnung gem. § 45 Abs. 3 GKG nicht zu berücksichtigen, wohl aber bei der Bemessung des Anwaltsgebühren: Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatte nämlich nach seinem Vortrag im Rahmen der vorgerichtlichen Prüfung der Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerde auch die zur Hilfsaufrechnung gestellten Ansprüche geprüft, mit denen sich der BGH nach Rücknahme der Hilfsaufrechnung mit Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr befassen musste.

Im Fall des OLG München lag hier die letztgenannte Fallgestaltung vor.

3. Vollständige Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses falsch

Das OLG München hat hier jedoch zu Unrecht den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Traunstein in vollem Umfang aufgehoben. Insoweit hat das OLG unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO über den Antrag der Beklagten hinausgehend entschieden. Die Beklagte hatte nämlich lediglich geltend gemacht, die Termins- und die Einigungsgebühr des Prozessbevollmächtigten des Klägers berechneten sich nach einem geringeren Gegenstandswert. Hingegen hatte die Beklagte ihre sofortige Beschwerde nicht auch gegen die Festsetzung der anwaltlichen Verfahrensgebühr, sonstiger Auslagen und der (wohl auch mit festgesetzten) Gerichtskosten gerichtet. Das OLG München hätte auch den Kostenfestsetzungsbeschluss hinsichtlich der Festsetzung der anwaltlichen Termins- und der Einigungsgebühr nicht in vollem Umfang aufheben dürfen. Die Beklagte hatte sich n...

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