Einführung

Schließt der Anwalt für seine Partei einen Vergleich unter Einbeziehung anderweitig anhängiger Ansprüche, liegt zwar auch ein Mehrwertvergleich vor; die Abrechnung ist aber ungleich komplizierter als die Abrechnung eines gewöhnlichen Mehrwertvergleichs über nicht anhängige Gegenstände.

I. Ausgangsfall

 
Praxis-Beispiel

Der Anwalt vertritt den A in einem Klageverfahren gegen den B vor dem LG München (Streitwert: 10.000,00 EUR). Darüber hinaus vertritt der Anwalt den A auch als Beklagten in einem Verfahren umgekehrten Rubrums vor dem LG Nürnberg mit einem Streitwert von 8.000,00 EUR. Im Verfahren vor dem LG München wird Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Dort wird das Nürnberger Parallelverfahren mit erörtert und ein Gesamtvergleich geschlossen, mit dem beide Verfahren erledigt werden.

II. Gerichtliche Wertfestsetzung

1. Streitwerte

Streitwerte sind gesondert festzusetzen

Zunächst einmal sind die Streitwerte festzusetzen. Im Verfahren vor dem LG München ist der Streitwert auf 10.000,00 EUR festzusetzen und im Verfahren vor dem LG Nürnberg auf 8.000,00 EUR. Zuständig für die Wertfestsetzung ist das jeweilige Gericht. Das LG München darf daher nicht den Streitwert für das Nürnberger Verfahren festsetzen.

2. Kein Mehrwert des Vergleichs

Vergleich hat keinen Mehrwert für Gerichtsgebühren

Ein Vergleichsmehrwert ist nicht festzusetzen, obwohl dies in der Praxis regelmäßig geschieht. Nach § 63 Abs. 2 GKG hat das Gericht den Wert für die anfallenden Gerichtsgebühren festzusetzen. Einen Vergleichsmehrwert hat das Gericht daher nur dann festzusetzen, wenn nach diesem Vergleichsmehrwert auch Gerichtsgebühren erhoben werden. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der hier maßgeblichen Gebührenvorschrift der Nr. 1900 GKG-KostVerz. wird die gerichtliche Vergleichsgebühr jedoch nur für einen Vergleich über Gegenstände erhoben, die nicht anhängig sind. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine Vergleichsgebühr für anhängige Ansprüche, und seien sie auch anderweitig anhängig, nicht erhoben wird. Insoweit ist nämlich bereits die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen angefallen. Die Landeskasse soll hier aus demselben Gegenstand nicht noch weitere Gebühren erheben können, da eine Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen auch den Vergleich über den jeweiligen Streitgegenstand mit abdeckt, selbst wenn der Vergleich vor einem anderen Gericht geschlossen wird.

3. Abrechnung

Die Gebühr für Verfahren im Allgemeinen (Nr. 1210 GKG-KostVerz.) ist jeweils gesondert zu erheben. Dabei ist zu beachten, dass sich beide Verfahren durch Vergleich erledigt haben, so dass beide Gebühren nach Nr. 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz. auf eine 1,0-Gebühr zu ermäßigen sind.

Angefallen sind somit folgende Gerichtsgebühren:

 
Praxis-Beispiel

LG München

 
1,0-Gebühr, Nrn. 1210, 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz. 241,00 EUR
(Wert: 10.000,00 EUR)  

LG Nürnberg

 
1,0-Gebühr, Nr. 1210, 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz. 203,00 EUR
(Wert: 8.000,00 EUR)  

III. Anwaltsvergütung im Verfahren LG München

1. Verfahrensgebühr

Angefallen ist in dem Klageverfahren vor dem LG München zunächst einmal eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV aus 10.000,00 EUR.

Verfahrensdifferenzgebühr aus Mehrwert

Hinzu kommt für den Mehrwert des Vergleichs (8.000,00 EUR) eine 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV. Im Gegensatz zu den Gerichtsgebühren ist für die Anwaltsgebühren hier ein Mehrwert gegeben, da es bei den Anwaltsgebühren nicht darauf ankommt, ob der Gegenstand anderweitig anhängig ist oder nicht, sondern nur darauf, dass er in dem betreffenden Verfahren nicht anhängig ist.

Insgesamt ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebührenaufkommen nach § 15 Abs. 3 RVG auf eine Gebühr aus dem höchsten Satz nach dem Gesamtbetrag, also auf eine 1,3-Gebühr aus 18.000,00 EUR, zu begrenzen ist.

2. Terminsgebühr

Terminsgebühr aus dem Gesamtwert

Angefallen ist ferner eine 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) aus 18.000,00 EUR, nämlich aus den anhängigen 10.000,00 EUR und aus den mit erörterten und mit verglichenen 8.000,00 EUR. Werden in einem Verfahren anderweitig anhängige Ansprüche miterörtert, so entsteht die Terminsgebühr nur in dem Einbeziehungsverfahren und nicht in dem einbezogenen Verfahren (BAG AGS 2014, 213 = NJW 2014, 1837 = NZA 2014, 1102 = ArbR 2014, 212 = RVGreport 2014, 192 = NJW-Spezial 2014, 317 = RVGprof. 2014, 151; OLG Jena AGS 2013, 384 = NJW-Spezial 2013, 636 = MDR 2013, 944; OLG Köln AGS 2012, 62; OLG Stuttgart AGS 2005, 256 = JurBüro 2005, 303 = NJW-RR 2005, 940 = MDR 2005, 838 = OLGR 2005, 559 = Justiz 2005, 327; OLG Frankfurt AGS 2008, 224 = OLGR 2008, 576 = NJW-Spezial 2008, 348). Sie ist dann allerdings aus dem Gesamtwert beider Verfahren zu berechnen.

3. Einigungsgebühr

Einigungsgebühr aus dem Gesamtwert

Hinzu kommt eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) aus dem Gesamtwert von 18.000,00 EUR. Im Gegensatz zu den Gerichtsgebühren entsteht die anwaltliche Einigungsgebühr auch dann, wenn die Gegenstände anderweitig anhängig sind. Da hier sämtliche Gegenstände erstinstanzlich anhängig waren, entsteht gem. Nr. 1003 VV einheitlich eine 1,0-Einigungsgebühr, auch, soweit die Einigung den Mehrwert betrifft.

4. Gesamtabrechnung

Abzurechnen ist danach wie folgt:

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 725,40 EUR
  (Wert: 10....

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