Werden mehrere Verfahren, in denen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, verbunden, gelten folgende Grundsätze:

Bis zur Verbindung liegen verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG vor, sodass der Anwalt insoweit getrennt abrechnen kann.
Nach Verbindung ist nur noch eine einzige Angelegenheit gegeben, sodass der Anwalt seine Gebühren und Auslagen nur noch einmal erhält, wobei hier wieder zu differenzieren ist.
Soweit die verbundenen Verfahren verschiedene Gegenstände betreffen, bleibt es bei einer einfachen Gebühr, allerdings berechnet aus dem Gesamtwert (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG).
 

Beispiel 1

A klagt gegen B aus einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz (5.000,00 EUR). B klagt gegen A aus demselben Unfall ebenfalls auf Schadensersatz (4.000,00 EUR). Die Verfahren werden als Klage und Widerklage verbunden.

Der Streitwert nach Verbindung beläuft sich auf 9.000,00 EUR (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG). Eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV kommt daneben nicht in Betracht, da die mehreren Auftraggeber nicht gemeinschaftlich am selben Streitgegenstand betroffen sind.

Handelt es sich um denselben Gegenstand, dann erhält der Anwalt die Gebühren nur einmal aus dem einfachen Wert. Soweit er nach Verbindung jetzt mehrere Auftraggeber vertritt, erhöht sich allerdings die Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV um 0,3 je weiteren Auftraggeber.
 

Beispiel 2

Der Vermieter klagt auf Räumung einer Wohnung (Streitwert 6.000,00 EUR). Der Mieter klagt auf Feststellung des Fortbestands des Mietverhältnisses. Die Verfahren werden als Klage und Widerklage verbunden.

Der Streitwert nach Verbindung beläuft sich auf 6.000,00 EUR, da Klage und Widerklage denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG).

 

Beispiel 3

Gegen die gesamtschuldnerisch haftenden A und B sind zwei getrennte Klagen auf Zahlung von 6.000,00 EUR eingereicht worden. Die Klagen werden miteinander verbunden.

Der Streitwert nach Verbindung beläuft sich auf 6.000,00 EUR, da Klage und Widerklage denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG). Allerdings erhöht sich nach Verbindung für den gemeinsamen Anwalt von A und B die Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV um 0,3 auf 1,6. Für den Anwalt des Klägers bleibt es dagegen bei einer einfachen 1,3-Verfahrensgebühr.

Das verbundene Verfahren stellt nicht etwa ein drittes Verfahren neben den beiden verbundenen Verfahren dar und löst daher auch insbesondere keine gesonderte Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV aus (BGH AGS 2010, 317 = RVGprof. 2010, 109 = MDR 2010, 776 = zfs 2010, 402 = Rpfleger 2010, 446 = VersR 2010, 1198 = JurBüro 2010, 414 = NJW 2010, 3377 = DAR 2010, 358 = RVGreport 2010, 214 = FamRZ 2010, 1071 = AnwBl 2010, 627 = RuS 2010, 536).

Hinsichtlich der Gebühren gilt Folgendes:

Gebühren, die nur vor der Verbindung entstanden sind, müssen zwingend aus den getrennten Werten berechnet werden.
Gebühren, die ausschließlich nach der Verbindung entstanden sind, können nur aus dem Gesamtwert nach Verbindung berechnet werden.
Hinsichtlich der Gebühren, die sowohl in den beiden Verfahren vor Verbindung entstanden sind als auch in dem gemeinsamen Verfahren nach Verbindung hat der Anwalt ein Wahlrecht. Er kann die Gebühren getrennt abrechnen oder gemeinsam – nicht aber beides (BGH s.o.).

In der Regel wird die getrennte Abrechnung günstiger sein, weil dadurch die Gebührendegression umgangen wird. Je nach Konstellation kann es unter Umständen aber auch einmal günstiger sein, gemeinsam abzurechnen, wenn der Gebührensprung durch die Hinzurechnung des verbundenen Verfahrens größer ist als die Gebühr für das Verfahren selbst. In der Praxis kommen solche Fälle allerdings kaum vor.

 

Beispiel 4

A klagt gegen B auf Zahlung von 6.000,00 EUR (Az. 1/14). B erhebt gleichzeitig Klage gegen A auf Zahlung von 4.000,00 EUR (Az. 2/14). Nachdem in beiden Verfahren mündlich verhandelt worden ist, wird die Klage des B als Widerklage zum Verfahren 2/14 verbunden. Anschließend wird erneut verhandelt.

In beiden Verfahren sind Verfahrens- und Terminsgebühr sowohl vor als auch nach der Verbindung angefallen. Insoweit besteht ein Wahlrecht.

A. Gemeinsame Berechnung, verbundenes Verfahren

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000,00 EUR)   725,40 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 10.000,00 EUR)   669,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.415,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   268,85 EUR
Gesamt 1.683,85 EUR

B. Getrennte Abrechnung

I. Verfahren 1/14

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 6.000,00 EUR)   460,20 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 6.000,00 EUR)   424,80 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 905,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   171,95 EUR
Gesamt 1.076,95 EUR

II. Verfahren 2/14

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 4.000,00 EUR)   327,60 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 4.000,00 EUR)   302,40 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 650,00 EUR  
4. 19 % Umsa...

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