In einigen Fällen setzt der Versicherungsschutz erst mit Beginn des gerichtlichen Verfahrens ein. Eine vorgerichtliche Tätigkeit ist dann nicht versichert. Der Versicherungsnehmer muss vielmehr die außergerichtliche Tätigkeit seines Anwalts selbst bezahlen. Solche Fälle kommen insbesondere im Verwaltungsrechtsschutz vor sowie beim älteren Firmenvertragsrechtsschutz.

Bei ausschließlicher Versicherung gerichtlicher Tätigkeiten muss VN Geschäftsgebühr selbst zahlen

Das wiederum hat zur Folge, dass der Versicherungsnehmer die Geschäftsgebühr selbst zahlen muss und der Rechtsschutzversicherer nur die Verfahrensgebühr trägt. Dabei ergibt sich wiederum die Besonderheit, das sich in Höhe des Anrechnungsbetrages, also in Höhe der hälftigen Geschäftsgebühr (Vorbem. 3 Abs. 4 VV) die Vergütungsansprüche für außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit überschneiden.

Versicherungsnehmer hat Wahlrecht

Insoweit gilt zunächst einmal § 15a Abs. 1 RVG. Der Anwalt ist frei, ob er die Geschäftsgebühr in voller Höhe abrechnet und dann die hälftige Anrechnung bei der Verfahrensgebühr berücksichtigt oder ob er die Verfahrensgebühr in voller Höhe berechnet und die Anrechnung dann bei der Geschäftsgebühr selbst vornimmt.

Wird die Geschäftsgebühr in voller Höhe berechnet und dann auf die Geschäftsgebühr hälftig angerechnet, führt dies zu einer Entlastung des Rechtsschutzversicherers. Günstiger ist es daher, dem Mandanten nur den anrechnungsfreien Betrag in Rechnung zu stellen und dem Rechtsschutzversicherer die volle Verfahrensgebühr.

 

Beispiel

Der Versicherungsnehmer hatte wegen einer Forderung i.H.v. 8.000,00 EUR seinen Anwalt zunächst außergerichtlich und sodann im gerichtlichen Verfahren beauftragt.

Rechnet der Anwalt jetzt die Geschäftsgebühr voll ab und berücksichtigt er die Anrechnung bei der Verfahrensgebühr, ergeben sich ausgehend von einer Mittelgebühr folgende Zahlungspflichten:

I. Versicherungsnehmer

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   618,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 638,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   121,22 EUR
Gesamt 759,22 EUR

II. Rechtsschutzversicherer

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   535,60 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,    
  0,75 aus 8.000,00 EUR   -309,00 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   494,40 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 741,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   140,79 EUR
Gesamt 881,79 EUR

Stellt der Anwalt dagegen die Verfahrensgebühr in voller Höhe in Rechnung und berücksichtigt er die Anrechnung bei der Geschäftsgebühr selbst, ergibt sich folgende Verteilung:

I. Rechtsschutzversicherer

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   535,60 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   494,40 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.050,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   199,50 EUR
Gesamt 1.249,50 EUR

II. Versicherungsnehmer

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   618,00 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,    
  0,75 aus 8.000,00 EUR   -309,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 329,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   62,51 EUR
Gesamt 391,51 EUR

Rechtsschutzversicherer ist für Verfahrensgebühr voll eintrittspflichtig und kann sich nicht auf Anrechnung berufen

Günstiger ist es also für den Mandanten, wenn der Anwalt dem Rechtsschutzversicherer die volle Verfahrensgebühr in Rechnung stellt und die Anrechnung gegenüber dem Versicherungsnehmer berücksichtigt. Der Rechtsschutzversicherer ist in diesem Fall in voller Höhe der Verfahrensgebühr eintrittspflichtig. Er kann sich nach § 15a Abs. 2 RVG nicht auf die Anrechnung berufen. Auch er ist Dritter i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG und kann sich nur unter den dort genannten Voraussetzungen – die hier nicht gegeben sind – auf eine Anrechnung der Geschäftsgebühr berufen (AnwK-RVG/N. Schneider, 6. Aufl. 2012, § 15a Rn 38 f.).

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