Die Entscheidung ist nur zum Teil richtig.

I. Anrechnung der Gebührenerhöhung

Zutreffend hat der Rechtspfleger die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens im Ergebnis nicht nur zu 0,5 angerechnet, sondern zu 0,8.

Allerdings ist nicht die "Erhöhungsgebühr" anzurechnen. Eine dahingehende Anrechnungsvorschrift gibt es nämlich nicht. Sie gibt es deshalb nicht, weil es keine "Erhöhungsgebühr" gibt.

Keine Erhöhungsgebühr, sondern erhöhte Gebühren

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands, entsteht keine gesonderte Erhöhungsgebühr; vielmehr erhöhen sich Verfahrens- und Geschäftsgebühren um 0,3 je weiteren Auftraggeber. Die Vorschrift der Nr. 1008 VV schafft keinen eigenen Gebührentatbestand, sondern führt lediglich dazu, dass eine Geschäfts- oder Verfahrensgebühr um einen bestimmten Satz zu erhöhen ist. Es entsteht dann eine einheitliche erhöhte Gebühr. Siehe dazu insbesondere KG, Beschl. v. 29.7.2008 – 1 W 73/08, AGS 2009, 4 = NJ 2008, 461 = Rpfleger 2008, 669 = KGR 2008, 968 = JurBüro 2008, 585 = RVGreport 2008, 391 = NJW-Spezial 2009, 92; LG Düsseldorf AGS 2007, 381 = MDR 2007, 1164 = JurBüro 2007, 480 = Rpfleger 2007, 629 = RVGreport 2007, 298:

 
Hinweis

"Die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV stellt keine eigenständige Gebühr dar (Senat JurBüro 2007, 543 zu Nr. 2503 VV). Zwar wird Teil 1 des RVG (Nrn. 1000 bis 1009 VV) mit der Vorbem. 1 eingeleitet, dass die Gebühren dieses Teils neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren entstehen. Diese allgemeine Bestimmung wird aber durch die speziellere Regelung der Nr. 1008 VV verdrängt, wonach sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr "erhöht", wenn der Anwalt in derselben Angelegenheit mehrere Auftraggeber hat. Diese Formulierung lässt erkennen, dass auch die erhöhte Geschäfts- oder Verfahrensgebühr eine einheitliche Gebühr darstellt (Bischof, a.a.O., Nr. 1008 VV, Rn 93; Enders, JurBüro 2005, 449, 450 Ziff. 3). Es kommt lediglich zur Erhöhung der jeweiligen Gebühr und nicht zur Begründung einer neuen, eigenständig zu behandelnden Gebühr."

Das bedeutet also, dass hier von vornherein eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3307, 1008 VV angefallen ist.

Auch im streitigen Verfahren ist keine "Erhöhungsgebühr", sondern eine von vornherein erhöhte 1,6-Verfahrensgebühr (Nrn. 3100, 1008 VV) angefallen.

Erhöhte Gebühr ist anzurechnen

Die 0,8-Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens war sodann in vollem Umfang nach Anm. zu Nr. 3307 VV auf die 1,6-Verfahrensgebühr des streitigen Verfahrens anzurechnen.

Dieses Anrechnungsproblem ist im Rahmen der Geschäftsgebühr von der Rechtsprechung bereits entschieden. Hier ist es ebenfalls einhellige Auffassung, dass die erhöhte Geschäftsgebühr und nicht nur die einfache Geschäftsgebühr anzurechnen ist (KG AGS 2009, 4 = NJ 2008, 461 = Rpfleger 2008, 669 = KGR 2008, 968 = JurBüro 2008, 585 = RVGreport 2008, 391 = NJW-Spezial 2009, 92; LG Düsseldorf AGS 2007, 381 = MDR 2007, 1164 = JurBüro 2007, 480 = Rpfleger 2007, 629 = RVGreport 2007, 298; AG Stuttgart AGS 2007, 385 = MDR 2007, 1107 = ZMR 2007, 737 = JurBüro 2007, 522 = NJW-RR 2007, 1725; LG Ulm AGS 2008, 163 = AnwBl. 2008, 73 = NJW-Spezial 2008, 155).

II. Berechnung der Postentgeltpauschale

Unzutreffend ist die Entscheidung des Rechtspflegers allerdings hinsichtlich der Postentgeltpauschale.

Postentgeltpauschale berechnet sich vor Anrechnung

Eine Postentgeltpauschale berechnet sich nach dem Gebührenaufkommen vor Anrechnung und nicht nach einem Differenzbetrag, der nach Anrechnung noch verbleibt (AG Kassel AGS 2007, 133 = JurBüro 2006, 592; OLG Köln Rpfleger 1994, 432 = AGS 1994, 65; LG Berlin JurBüro 1982, 1351; JurBüro 1987, 1869; AG Hamburg AnwBl 1993, 293; AG Alzey AnwBl 1982, 399; AnwK-RVG/N. Schneider, 8. Aufl., 2016, Nr. 7001–7002 VV Rn 44: Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 7001, 7002 Rn 37).

Zutreffend hätte daher folgende Vergütung festgesetzt werden müssen:

 
Praxis-Beispiel

I. Mahnverfahren

 
1. 0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3307 VV   36,00 EUR
  (Wert: bis 500,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   7,20 EUR
  Zwischensumme 43,20 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   8,21 EUR
Gesamt 51,41 EUR
 
Praxis-Beispiel

II. Streitiges Verfahren

 
1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   72,00 EUR
  (Wert: bis 500,00 EUR)    
2. gem. Anm. zu Nr. 3307 VV anzurechnen,   –36,00 EUR
  0,8-Gebühr aus 500,00 EUR    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   14,40 EUR
  (20 % aus 72,00 EUR)    
  Zwischensumme 50,40 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   9,56 EUR
Gesamt 59,96 EUR
Gesamt I. + II. 111,37 EUR

AGKompakt 2/2018, S. 16 - 18

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