I. Überblick

Auch in Bußgeldsachen ist eine Zusätzliche Gebühr vorgesehen, wenn sich das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erledigt oder eine Hauptverhandlung entbehrlich wird.

Ebenso wie in Strafsachen ist Voraussetzung, dass der Anwalt die Erledigung durch seine Mitwirkung gefördert haben muss. Aus der gesetzlichen Formulierung in Anm. Abs. 2 zu Nr. 5115 VV, dass die Zusätzliche Gebühr nur dann ausgeschlossen ist, "wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist", folgt, dass die Mitwirkung des Anwalts vermutet wird. Das ausnahmsweise gegebene Fehlen ist vom Gebührenschuldner oder vom Erstattungspflichtigen darzulegen und zu beweisen (AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 5115 VV Rn 26; Burhoff, Nr. 5115 VV Rn 9).

Die Mitwirkung i.S.d. Nr. 5115 VV erfordert, wie sich aus Anm. Abs. 2 zu Nr. 5115 VV ergibt, eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit. An die Mitwirkung des Rechtsanwalts dürfen dabei nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Schließlich hat er als Verteidiger die Interessen des Betroffenen zu wahren. Es ist nicht seine primäre Aufgabe, das Verfahren zu fördern.

II. Die einzelnen Fälle

1. Nicht nur vorläufige Einstellung

Zunächst entsteht auch im Bußgeldverfahren die Zusätzliche Gebühr, wenn das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 5115 VV). Unabhängig vom Verfahrensstadium gilt, dass die Einstellung nicht nur vorläufig sein darf. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie endgültig sein muss. Sie darf lediglich nicht vorläufig gewollt sein; ob die Einstellung endgültig bleibt, ist unerheblich.

Zur Mitwirkung reicht es aus, dass der Anwalt für den Betroffenen eine Einlassung abgegeben hat. Des Weiteren genügt eine Sachverhaltsaufklärung, eine Besprechung mit der Verwaltungsbehörde über den Verfahrensfortgang oder die Benennung von Zeugen (AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 5115 VV Rn 26 ff.). Ebenso reicht das Bestreiten der Tat aus (N. Schneider in Anm. zu AG Halle AGS 2007, 85). Im Falle der Abgabe durch die Staatsanwaltschaft nach § 43 OWiG reicht es sogar aus, dass im Strafverfahren eine Einlassung abgegeben worden ist. Diese muss im Bußgeldverfahren nicht widerholt werden (BGH AGS 2008, 491 = AnwBl 2008, 886 = NJW 2009, 368 = RVGreport 2008, 431).

Klargestellt hat der BGH (AGS 2011, 128 = NJW 2011, 1605 = AnwBl 2011, 499 = RVGreport 2011, 182), dass es für die Mitwirkung an der Erledigung des Verfahrens genügt, wenn der Verteidiger seinem Mandanten dazu rät, zu dem erhobenen Vorwurf zu schweigen, und dies der Verwaltungsbehörde mitteilt. Erforderlich ist allerdings, dass der Verteidiger klar und deutlich zu erkennen gibt, dass sich der Betroffene auf sein Aussageverweigerungsrecht beruft. Im Zweifel sollte dies ausdrücklich erklärt werden (AG Hamburg-Barmbek AGS 2011, 596).

 

Beispiel 13

Der Verteidiger erklärt, der Betroffene werde keine Aussage machen. Im Hinblick darauf wird das Verfahren nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 5115 VV ist angefallen.

Nicht ausreichend ist dagegen die bloße Bestellung als Verteidiger, der Antrag auf Akteneinsicht oder die Einlegung eines Einspruchs ohne Begründung (AG Viechtach AGS 2006, 289 m. Anm. N. Schneider).

2. Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid

Die Zusätzliche Gebühr entsteht ferner bei Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid (Anm. Abs. 1 Nr. 2, 4 zu Nr. 5115 VV). Ist bereits ein Termin zur Hauptverhandlung anberaumt, muss die Rücknahme früher als zwei Wochen vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war, erklärt werden (zur Berechnung der Zwei-Wochen-Frist s. N. Schneider, DAR 2007, 671).

 

Beispiel 14

Gegen den Bußgeldbescheid (80,00 EUR) legt der Verteidiger Einspruch ein. Nach Beratung mit dem Betroffenen nimmt er den Einspruch später wieder zurück, bevor die Sache an das Amtsgericht abgegeben worden ist.

Der Verteidiger erhält jetzt neben der Grundgebühr und der Verfahrensgebühr eine Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 5115 VV.

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV   160,00 EUR
2. Zusätzliche Gebühr, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 5115, 5109 VV   160,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 340,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   64,60 EUR
Gesamt 404,60 EUR

3. Rücknahme des Bußgeldbescheids und Neuerlass

Des Weiteren erhält der Anwalt die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 5115 VV, wenn gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt worden ist und die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid zurücknimmt, gleichzeitig aber einen neuen Bußgeldbescheid erlässt, gegen den kein Einspruch eingelegt wird. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn die Behörde einen unzutreffenden Bescheid erlassen hat und diesen nach Einspruch durch Rücknahme und Neuerlass korrigiert oder (Hauptanwendungsfall) wenn im Bußgeldbescheid ein Fahrverbot ausgesprochen worden ist und der Verteidiger erreicht, dass im Wege der Rücknahme des Bußgeldbescheids und Neuerlasses gegen eine Erhöhung des Bußgeldes von dem Fahrverbot Abstand genommen wird.

 

Beispiel 15

Gegen den Bußgeldbescheid (80,00 EUR), in dem ein Fahrverbot gegen d...

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