Leitsatz

Eingezogene unversteuerte Zigaretten haben keinen Gegenstandswert.

Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 19.1.2010 – 2 Ws 79/09

I. Der Fall

Der Angeklagte wurde wegen "gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung" verurteilt. Nach den Feststellungen des Urteils hatte der Angeklagte Zigaretten diverser Marken nach Deutschland verbracht, welche überwiegend ukrainische und ansonsten gar keine Steuerzeichen trugen. Diese Zigaretten wurden mit dem amtsgerichtlichen Urteil eingezogen. Den Gegenstandswert der eingezogenen Zigaretten setzte das AG auf 0,00 EUR fest. Auf die dagegen eingelegte Beschwerde des Verteidigers hat das LG den Gegenstandswert der eingezogenen Zigaretten auf 154.809,20 EUR festgesetzt. Das LG ist der Auffassung, die eingezogenen Zigaretten hätten einen Gegenstandswert, weil sie nach Einführung in die Bundesrepublik Deutschland im Straßenverkauf einen realen Verkaufswert hätten. Der juristisch-ökonomische Wertbegriff, dem die Entscheidung des LG Berlin v. 13.10.2006 – 536 Qs 250/06 – zugrunde liege, verkenne die ökonomische Tatsache, dass es nur aufgrund des objektiven Geldwertes der Zigaretten zur Einfuhr von unversteuerten Zigaretten auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland komme. Werde eine derartige Ware auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sichergestellt und eingezogen, ergebe sich der Gegenstandswert der sichergestellten, eingezogenen und nicht versteuerten Zigaretten aus dem durchschnittlichen Kleinverkaufspreis. Die hiergegen erhobene weitere Beschwerde des Bezirksrevisors hatte Erfolg.

II. Die Entscheidung

Unversteuerte Zigaretten haben keinen Gegenstandswert

Das Rechtsmittel ist begründet. Die eingezogenen unversteuerten Zigaretten haben keinen Gegenstandswert.

Gem. § 2 Abs. 1 RVG werden die Rechtsanwaltsgebühren, soweit das RVG nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). Eine weiter gehende Regelung, wie der so bezeichnete Gegenstandswert zu bestimmen ist, enthält das Gesetz nicht.

Nach einer Entscheidung des KG (NStZ-RR 2005, 358), der Handeltreiben mit Kokain zugrunde lag, bemisst sich der Gegenstandswert nach dem objektiven Verkehrswert der eingezogenen Sache, der normativ zu bestimmen ist. Das subjektive Interesse des Betroffenen ist ohne Belang. Der Unrechtswert, der im Großhandels- oder Straßenverkaufswert von illegalen Drogen liegt, gilt nur subjektiv zwischen Straftätern und bleibt außer Betracht.

Veräußerung unverzollter Zigaretten wird von der Rechtsordnung nicht anerkannt

Das LG Berlin hat die vorgenannten Grundsätze (Beschl. v. 13.10.2006 – 536 Qs 250/06) auf den Handel mit unversteuerten Zigaretten übertragen. Ebenso wie Betäubungsmittel unterlägen sie der Einziehung und seien unter Beachtung der Rechtsordnung nicht handelsfähig; sie würden nicht etwa – wie ein eingezogener Gegenstand von Wert – versteigert, sondern so wie eingezogene Betäubungsmittel vernichtet. Damit habe bei der Festsetzung des Gegenstandswertes der (Unrechts-)Wert, der beim Straßenverkauf der unverzollten Zigaretten erzielbar wäre, außer Betracht zu bleiben, denn dieser gelte bloß subjektiv zwischen Straftätern, werde aber von der Rechtsordnung nicht anerkannt (so im Ergebnis auch LG Würzburg, Beschl. v. 16.5.2007 – 5 Qs 117/07 sowie LG Cottbus, Beschl. v. 25.2.2009 – 22 Qs 38/08). Die vorstehend zitierte Entscheidung des LG Berlin ist durch das KG (Beschl. v. 20.12.2006 – 5 Ws 687/06) bestätigt worden.

Der Senat schließt sich dieser Argumentation an. Unversteuerte Zigaretten sind mangels eines gültigen Steuerzeichens nicht unter Beachtung der Rechtsordnung handelsfähig, weil dies in Abhängigkeit von deren Menge strafbar (§§ 370, 374 AO) oder ordnungswidrig (§ 30a TabStG) ist. Der Umstand, dass die hier eingezogenen Zigaretten, soweit sie ukrainische Steuerzeichen tragen, im Herkunftsland legal handelbar wären, ist ohne Bedeutung, weil sie auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sichergestellt wurden und es auf die Bestimmung ihres Gegenstandswertes unter Beachtung der hier geltenden Rechtsordnung ankommt.

Gegenauffassungen überzeugen nicht

Die in der angefochtenen Entscheidung geäußerte Gegenmeinung vermag nicht zu überzeugen. Sie verkennt den Ausgangspunkt der hier vertretenen Argumentation, dass der Gegenstandswert einer eingezogenen Sache nur unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung bestimmt werden kann. Es trifft zwar zu, dass Grund für die Einfuhr von unversteuerten Zigaretten auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gerade die damit zu erzielenden Gewinne sind; diese beziffern aber lediglich das subjektive Interesse der beteiligten Straftäter am verbotenen Handel mit unversteuerten Zigaretten und bleiben deshalb außer Betracht. Sofern – was unklar bleibt – in der angefochtenen Entscheidung der Gegenstandswert der eingezogenen Zigaretten nach dem Kleinverkaufspreis von legal versteuerten Zigaretten bestimmt werden sollte, wäre dies unverständlich.

Aus den vorgenannten Gründen vermag auch die Annahme des Schwarzmarktpreises (LG Hof, Beschl. v. 15...

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