Gegen die Festsetzung des Streitwertes ist die Beschwerde auch für den Anwalt (§ 32 Abs. 2 RVG) – wenn sie nicht nach § 68 Abs. 1 S. 2 GKG bereits wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden ist – nur dann gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands mehr als 200,00 EUR beträgt (§ 68 Abs. 1 S. 1 GKG).

Maßgebend ist die Differenz der Vergütung zwischen festgesetztem und begehrtem Streitwert

Abzustellen ist dabei nicht auf die Differenz des festgesetzten Streitwerts zu dem begehrten Streitwert, sondern auf die Differenz der Vergütung, die der Anwalt nach dem festgesetzten Streitwert gegenüber dem Auftraggeber abrechnen kann, zu derjenigen Vergütung, die nach dem von ihm mit der Beschwerde erstrebten Streitwert abgerechnet werden könnte (Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn 4970).

 
Praxis-Beispiel

Das Gericht hat den Streitwert auf 8.000,00 EUR festgesetzt. Der Anwalt will eine Heraufsetzung des Verfahrenswertes

  1. auf 9.000,00 EUR,
  2. auf 10.000,00 EUR

erreichen.

Für den Anwalt ist auf die Differenz der Vergütung zwischen 8.000,00 und 9.000,00 EUR (Fall a) oder 10.000,00 EUR (Fall b) abzustellen. Maßgebend sind immer die Wahlanwaltsgebühren, auch dann, wenn dem Auftraggeber Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, da der Anwalt gegebenenfalls den Mandanten später auf die weitergehenden Wahlanwaltsgebühren in Anspruch nehmen kann (§§ 120 Abs. 4, 124 ZPO).

Aus dem festgesetzten Wert von 8.000,00 EUR ergeben sich folgende Anwaltskosten:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 8.000,00 EUR)   535,60 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 8.000,00 EUR)   494,40 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.050,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   199,50 EUR
  Gesamt 1.249,50 EUR

a) Aus dem beantragten Wert von 9.000,00 EUR ergeben sich folgende Anwaltskosten:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 9.000,00 EUR)   583,70 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 9.000,00 EUR)   538,80 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.142,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   217,07 EUR
  Gesamt 1.359,57 EUR

Die Differenz beträgt 110,07 EUR. Die Beschwerde ist damit unzulässig.

b) Aus dem beantragten Wert von 10.000,00 EUR ergeben sich folgende Anwaltskosten:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000,00 EUR)   631,80 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 10.000,00 EUR)   583,20 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.235,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   234,65 EUR
  Gesamt 1.469,65 EUR

Die Differenz beträgt 220,15 EUR. Die Beschwerde ist damit zulässig.

 
Hinweis

Wird bei dem erstrebten Wert die Zulässigkeit nicht erreicht, muss gegebenenfalls eine noch höhere Festsetzung beantragt werden, um die Hürde der Zulässigkeit zu nehmen. Dann muss sich das Beschwerdegericht jedenfalls mit der Wertfestsetzung befassen und ihr – soweit begründet – stattgeben. Kostennachteile können dadurch nicht entstehen (§ 68 Abs. 3 GKG). Hätte der Anwalt also im Beispiel, obwohl er von 9.000,00 EUR ausgeht, 10.000,00 EUR beantragt, wäre die Beschwerde zulässig und das Beschwerdegericht hätte auf 9.000,00 EUR abändern können.

Erstgericht prüft Abhilfe

Wird eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes eingelegt, so muss das Gericht, das den Wert festgesetzt hat, zunächst einmal prüfen, ob es der Beschwerde abhilft (§ 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 1, 1. Hs. GKG). Dazu ist es nach § 63 Abs. 3 GKG nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet.

Unverzügliche Vorlage an Beschwerdegericht

Soweit das Gericht der Beschwerde nicht abhilft, hat es die Sache unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen, das dann über die Sache entscheidet (§ 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 1, 2. Hs. GKG).

Teilabhilfe ist möglich

Möglich ist auch eine Teilabhilfe des Erstgerichts. Hier besteht in der Praxis die Schwierigkeit, wie dann mit der (Rest-) Beschwerde umzugehen ist.

Soweit auch nach Abhilfe immer noch ein Wert des Beschwerdegegenstands von über 200,00 EUR verbleibt, bleibt die Beschwerde zulässig, so dass das Beschwerdegericht darüber entscheiden muss.

Beschwerde wird unzulässig, wenn nach Abhilfe der Beschwerdewert nicht mehr erreicht ist

Sinkt dagegen infolge der Teilabhilfe der Wert des Beschwerdegegenstands auf 200,00 EUR oder darunter, dann wird die Beschwerde damit unzulässig. Der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands muss zum Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Beschwerdegericht noch gegeben sein (OLG Hamm JurBüro 1982, 582 zu § 25 GKG a.F.; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn 4972; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, § 68 Rn 22). Diese Zulässigkeitsvoraussetzung ist vom Beschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen. Es besteht auch keine nachträgliche Zulassungsmöglichkeit. Das Ausgangsgericht kann im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung nicht nachträglich die Beschwerde noch zulassen. Die Zulassung der Beschwerde muss vielmehr im Erstbeschluss ausgesprochen worden se...

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