Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterliche Sorge: Haftung des sorgeberechtigten Elternteils bei Schädigung des Kindesvermögens

 

Leitsatz (redaktionell)

1.Ein Sorgeberechtigter kann die ihm obliegende Pflicht zur Vermögenssorge verletzen und sich gemäß § 1664 BGB schadensersatzpflichtig machen, wenn er von dem Sparguthaben des Kindes Abbuchungen tätigt und die Abhebungen für Unterhaltszahlungen gegenüber dem Kind, Aus- und Weiterbildungskosten des Kindes und Urlaubsreisen der Familie ausgibt.

2. Die Verwendung der Zinseinkünfte des Kindes für dessen Unterhalt ist gemäß § 1649 BGB dann nicht zulässig, wenn die aufgelaufenen Zinsen fest angelegt waren und somit der Vermögenssubstanz des Kindes zugeführt wurden.

 

Normenkette

BGB §§ 1610, 1626, 1649, 1664

 

Tenor

1.) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.932,30 DM nebst 5,5 % Zinsen seit dem 30.10.1996 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 30 % und der Beklagte zu 70 %.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.500,00 DM. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Tochter des Beklagten. Sie begehrt von dem Beklagten die Erstattung eines von ihrer Großmutter, der Mutter des Beklagten, für sie angelegten und mittlerweile verbrauchten Sparguthabens.

Die Großmutter der Klägerin, …, eröffnete 1990 ein Sparkonto auf den Namen der Klägerin und zahlte auf dieses Konto 6.660,00 DM ein. Das zugehörige Sparbuch übergab sie dem Beklagten. Der eingezahlte Betrag wuchs bis 1996 zinsbedingt auf bis zu 9.875,50 DM an. Am 29.10.1996 ließ der Beklagte, der das Sparkonto zuvor im Namen der Klägerin gekündigt hatte, den Betrag seinem Girokonto gutschreiben. Bei weiterer Festlegung hätte das Guthaben 5,5 % Zinsen erwirtschaftet. Die Klägerin wurde am 07.02.1997 volljährig.

1992 hatte der Beklagte für die Klägerin Geschäftsanteile der Volksbank Bad Bentheim im Wert von 1.200,00 DM erworben. Zudem zahlte er einen Betrag von 700,00 DM auf ein Girokonto der Klägerin sowie weitere 800,00 DM für einen Bausparvertrag der Klägerin. Er zahlte ferner über einen Zeitraum von drei Jahren, in denen sich die Klägerin in der Ausbildung befand, 725,00 DM monatlich an Schulgeld, 217,50 DM monatlich an Miete, 500,00 DM pro Monat als Taschengeld sowie weitere 200,00 DM pro Monat als sonstige Nebenkosten. Für Kosten einer Zusatzausbildung der Klägerin in Höhe von 3.756,80 DM zahlte der Beklagte 4.000,00 DM. Für Urlaubsreisen der Familie wendete der Beklagte Beträge von über 17.000,00 DM auf. Die Ehe der Eltern der Klägerin ist mittlerweile geschieden worden.

Die Klägerin erkundigte sich beim Beklagten mit Schreiben vom 18.03.2000 nach dem Verbleib des Sparguthabens und teilte mit, dass ihr nach ihren Berechnungen unter Berücksichtigung des Erwerbs der Genossenschaftsanteile, des Girokontos und des Bausparvertrages noch ein Betrag von mindestens 7.175,50 DM fehle.

Die Klägerin behauptet, ihre Großmutter habe ihr das Guthaben zur freien Verfügbarkeit nach Eintritt der Volljährigkeit überlassen. Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe über das Guthaben nicht ohne ihr Einverständnis oder das ihrer Mutter, …, verfügen dürfen. Dieses Einverständnis, so behauptet die Klägerin, habe weder sie noch ihre Mutter erteilt.

Sie beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, 9.875,50 DM nebst 5,5 % Zinsen seit dem 30.10.1996 an sie zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, seine Mutter habe ihm die Anweisung gegeben, den angelegten Betrag zum Wohl und Nutzen ihrer Enkelkinder zu verwenden. Er ist der Ansicht, mit der Finanzierung der Ausbildung der Klägerin, der Bezahlung der Urlaubsreisen, dem Erwerb der Genossenschaftsanteile sowie der Einzahlungen auf das Girokonto und den Bausparvertrag der Klägerin habe er den streitgegenständlichen Betrag bereits an die Klägerin ausgekehrt. Weiter behauptet der Beklagte, er habe noch 1998 für die Klägerin 250,00 DM Unterhalt pro Monat an seine vormalige Ehefrau geleistet. Seiner Ansicht nach habe seine ehemalige Ehefrau, die unstreitig ebenfalls auf das Konto des Beklagten zugreifen konnte, stillschweigend ihr Einverständnis zu allen von ihm getroffenen Verfügungen erteilt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 12.10.2000 und 12.01.2001 sowie den des Beklagten vom 19.12.2000 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in Höhe von 6.932,30 DM begründet, im Übrigen jedoch unbegründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von 6.932,30 DM nebst 5,5 % Zinsen seit dem 30.10.1996 gem. § 1664 I BGB gegen den Beklagten wegen einer Pflichtverletzung in Ausübung der elterlichen Sorge zu.

Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ist § 1664 I BGB. Diese Vorschrift legt nach herrschender Meinung nicht lediglich einen Haftungsmaßst...

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