Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.403,60 DM samt 4 % Zinsen seit dem 19.10.1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Da gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft kein Rechtsmittel zulässig ist, bedarf es gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO keines Tatbestandes.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 1.403,60 DM gegen den Beklagten.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass eine Lebensbaumhecke ca. 50 cm und Zweige einiger Fichten bis zu 3 m vom Grundstück des Beklagten auf dasjenige des Klägers überhängen. Ebenso wird von den Beklagten nicht bestritten, dass dieser Überhang zu einem starken Nadelabfall auf das Grundstück des Klägers führte, was in Verbindung mit dem Schattenwurf das Wachstum seiner eigenen Pflanzen beeinträchtigte. In der Konsequenz hatte der Kläger nach angemessener Fristsetzung, die von dem Beklagten ebenfalls eingeräumt wird, einen Anspruch aus § 910 Abs. 1 BGB zur Beseitigung dieses Überhangs.

Dieses Recht war nicht aus § 910 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Denn der Beklagte hat nicht dargetan, dass der Kläger durch den Überhang in der Nutzung des Grundstückes nicht beeinträchtigt wird. Sofern er meint, herabfallende Fichtennadeln seien eine unerhebliche Beeinträchtigung und daher von § 910 Abs. 2 BGB erfasst, entspricht dies zwar einer bisweilen vertretenen Auffassung (vgl. AG Frankfurt, NJW-RR 1990, 146). Diese Auffassung, die im übrigen nicht die h.M. darstellen dürfte, ist indessen mit Wortlaut, Geschichte und Systematik des § 910 BGB nicht vereinbar.

Dem Wortlaut nach macht § 910 BGB das Selbsthilferecht des Grundstückseigentümers gerade nicht von einer bestimmten Erheblichkeit der Beeinträchtigung abhängig. Das Selbsthilferecht wird nur dann nach § 910 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn „die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen”. Demnach soll für Erwägungen, wie erheblich die Beeinträchtigung durch den Überhang sein muss, offenkundig gerade kein Raum bleiben. Vielmehr setzt der Wortlaut des § 910 Abs. 2 BGB voraus, dass der Überhang das Grundstück überhaupt nicht beeinträchtigt, eine Belästigung also schlechterdings ausgeschlossen ist. Das ist bei Nadelabwurf jedenfalls dann zu verneinen, wenn er, wie hier unstreitig ist, den Wuchs der eigenen Anpflanzungen des Klägers behindert.

Dieser Wortlaut von § 910 Abs. 2 BGB ist auch nicht unglücklich gewählt und daher von den Gerichten zu korrigieren. Denn er entspricht, wie die Entstehungsgeschichte der Norm zeigt, dem eindeutig geäußerten Willen des Gesetzgebers. Nach den Materialien zum BGB soll die Einrede des Nachbarn aus § 910 Abs. 2 BGB dem Gericht nicht den Weg zu Billigkeitserwägungen über die Erheblichkeit des Überhangs oder gar zu einer allgemeinen Interessenabwägung eröffnen. Der Ausschluss des Selbsthilferechtes soll auf Fälle schikanösen Rechtsmissbrauchs durch den Grundstückseigentümer gegenüber seinem Nachbarn beschränkt bleiben (Mugdan, III, 593 und 973; Prot. III, 141). Diese Möglichkeit scheidet aus, wenn er durch den Überhang überhaupt beeinträchtigt wird. Denn dann kann dessen Beseitigung eben nicht mehr nur dem Zweck dienen, dem Nachbarn Schaden zuzufügen. Vielmehr erzielt der Grundstückseigentümer einen Nutzen für sich, nämlich die Beseitigung einer, wenn auch geringen, Störung. Das Verlangen, eine Beeinträchtigung zu beseitigen, ist aber nicht schon deswegen schikanös und missbräuchlich, weil sie nur von geringem Ausmaß ist.

Diese Auslegung entspricht auch der Systematik des Gesetzes. Denn der erste Titel des 3. Abschnitts von Buch 3 des BGB regelt gerade den „Inhalt des Eigentums”. Danach kann der Eigentümer einer Sache aber, wie § 903 BGB vorausschickt, „andere von jeder Einwirkung ausschließen”. Daraus folgt bei Grundstücken insbesondere, dass er über dessen Bepflanzung und Erscheinungsbild entscheiden darf, nicht der Nachbar. Dass ein Außenstehender „ein Recht hat, Zweige seiner Bäume in den Machtbereich seines Nachbarn eindringen zu lassen, ist jedoch nirgends, insbesondere nicht in § 910 BGB, bestimmt” (BGHZ 60, 235, 242). Vielmehr ist der Eigentumsschutz gerade bei Grundeigentum, dem das Gesetz etwa durch die Formvorschriften bei Veräußerung erkennbar besondere Bedeutung beimisst, nicht niedriger anzusetzen als bei beweglichen Sachen.

Diese klare Regelung in § 910 BGB ist auch durch den Zeitablauf seit Erlass des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht obsolet geworden. Sofern das OLG Köln die zitierte Entscheidung des BGH „im Lichte der neueren Naturschutzbestimmungen” ausdrücklich als überholt bezeichnet (NJW-RR 1997, 656), kann dem das hier erkennende Gericht nicht folgen. Es bleibt schon zweifelhaft, inwieweit etwa 50 cm Überhang einer Thuja-Hecke von besonderer ökologischer Bedeutung sein soll. Jedenfalls bestimmen derartige öffentlich-rechtliche Naturschutzbestimmungen zumeist ganz genau, welche Gewächse geschützt sein sollen. Inwie...

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