Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3 500,– EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2007 zu zahlen. Im Übrigen (wegen der darüber hinausgehenden Zinsen) wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckende Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Pfandrechts an einem Auseinandersetzungsguthaben innerhalb einer Genossenschaft.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners Z. Der Insolvenzschuldner war Mitglied der beklagten Genossenschaft. Die Satzung der Beklagten enthält in § 10 Regelungen über das Auseinandersetzungsguthaben, das einem Mitglied im Falle des Ausscheidens zusteht. Unter anderem heißt es in § 10 Abs. 2 S. 5 der Satzung:

„Der Genossenschaft haftet das Auseinandersetzungsguthaben des Mitgliedes für einen etwaigen Ausfall, insbesondere im Konkurs- oder Vergleichsverfahrens des Mitglieds.”

Der Geschäftsanteil des Insolvenzschuldners an der Beklagten betrug 3 500,– EUR. Die Beklagte lieferte dem Insolvenzschuldner Waren, woraus Forderungen der Beklagten gegen den Insolvenzschuldner i.H.v. über 3 500,– EUR resultierten.

Am 22.11.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffnet. Der Kläger kündigte die Mitgliedschaft bei der Beklagten und bat um Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens. Die Mitgliedschaft des Insolvenzschuldners endete am 31.12.2006. Das Auseinandersetzungsguthaben beträgt 3 500,– EUR.

Die Beklagte verweigerte eine Auszahlung mit der Begründung, das Auseinandersetzungsguthaben hafte als Pfand für ihre offenen Forderungen.

Der Kläger ist der Auffassung, die Regelung in § 10 Abs. 2 S. 5 der Satzung sei nicht als Bestellung eines Pfandrechts auszulegen; es komme etwa auch eine – insolvenzrechtlich anders zu beurteilende – Forderungsabtretung in Betracht. Jedenfalls sei eine Verpfändung nach § 22 Abs. 4 GenG unwirksam. (Nachdem vorgerichtlich zwischen den Parteien umstritten war, wann das Mitgliedschaftsverhältnis endet, macht der Kläger hilfsweise geltend, ein Auszahlungsanspruch bestehe jedenfalls in der Zukunft).

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3 500,– EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2006 zu zahlen,

hilfsweise:

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3 500,– EUR zum 01.01.2012 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Regelung in § 10 Abs. 2 S. 5 der Satzung sei als Bestellung eines Pfandrechts auszulegen. Das Verpfändungsverbot in § 22 Abs. 4 GenG stehe nicht entgegen: Es beziehe sich nur auf das Geschäftsguthabens des Mitglieds, nicht aber auf das hier streitgegenständliche Auseinandersetzungsguthaben.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in der Hauptsache begründet. Dem Kläger steht das geltend gemachte Auseinandersetzungsguthaben zu; die Beklagte kann dem kein Pfandrecht entgegenhalten.

Dabei kann dahinstehen, ob die Satzungsregelung überhaupt mit hinreichender Klarheit eine Pfandrechtsbestellung enthält (bejahend für vergleichbare Formulierungen: OLG Schleswig WM 2001, 2301; OLG Braunschweig WM 1997, 487). Denn eine Satzungsbestimmung, nach der das Auseinandersetzungsguthaben des Mitglieds bereits vor dessen Ausscheiden an die Genossenschaft verpfändet würde, wäre jedenfalls wegen Verstoßes gegen § 22 Abs. 4 GenG unwirksam, § 134 BGB. Das Verpfändungsverbot des § 22 Abs. 4 GenG erfasst den Anspruch auf das künftige Auseinandersetzungsguthaben (vgl. AG Hamburg-Blankenese NJW-RR 1991, 998; LG Stuttgart EWiR 1999, 599; OLG Schleswig WM 2001, 2301; Klaus Müller, GenG, 2. Aufl., § 22 Rdnr. 43b; Beuthien, GenG, 14. Aufl., § 22 Rdnr. 13; Hettrich/Pöhmann/Gräser/Röhrich, GenG, 2. Aufl., § 22 Rdnr. 10; Beck'scher Online-Kommentar/Sosnitza, Stand 2006, § 1274 BGB Rdnr. 15; unklar, aber offenbar auch nur für eine Verpfändung nach Ausscheiden: Münchener Kommentar zum BGB/Damrau, 4. Aufl., § 1274 Rdnr. 73). Dies ergibt sich aus dem Gesetzeszweck: Solange die Mitgliedschaft besteht, soll die Genossenschaft Forderungen gegen ihre Mitglieder nicht durch die Bestellung eines Pfandrechts an dem bei Ausscheiden zurück zu zahlenden Geschäftsguthaben sichern, sondern ggfs. andere Sicherungsmittel wählen. Es soll verhindert werden, dass die Genossenschaft mit Blick auf das Auseinandersetzungsguthaben auf Sicherheiten verzichtet, die sie als ordentlicher Kaufmann in gleicher Lage von einem Dritten fordern würde. Damit sollen mittelbar die Gläubiger der Genossenschaft geschützt werden, denen das Geschäftsguthaben als haftendes Eigenkapital vorbehalten bleiben soll. Es geht dabei nicht um eine bevorzugte Behandlung der Genossenschaft – und mittelbar ihrer Gläubiger – im Fall der Insolvenz des Mitglieds, sondern darum, die...

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