Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage der neuen Kostenregelung im Antragsverfahren gemäß § 14 Abs. 3 InsO an das BVerfG wegen Verstoßgegen Willkürverbot. Prüfung von Insolvenzgründen ist bei Aufrechterhaltung eines Zweitantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nach nachträglicher Forderungserfüllung zu prüfen. Prüfung von Insolvenzgründen bei Aufrechterhaltung eines Zweitantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nach nachträglicher Forderungserfüllung. Kosten bei der Feststellung einer Zahlungsunwilligkeit des Schuldners bereits im Zeitpunkt der Antragstellung. Vereinbarkeit der Kostenregelung des § 14 Abs. 3 InsO mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen im Hinblick auf das Ermessen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird der zulässige Zweitantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nach nachträglicher Forderungserfüllung aufrechterhalten, ist das Vorliegen von Insolvenzgründen (hier: durch Gutachten) zu prüfen.

2. Wird durch Gutachten festgestellt, dass der Schuldner schon bei Antragstellung zahlungsunwillig war und deshalb die durch einen zulässigen Insolvenzantrag begründete Vermutung des Vorliegens von Insolvenzgründen widerlegt, dass sind dem Antragsteller entgegen der Regelung des § 14 Abs. 3 InsO die Kosten aufzuerlegen.

3. Die Kostenregelung des § 14 Abs. 3 InsO stellt nach Ansicht des Gerichts „einen krassen Verstoß” u.a. gegen das sich aus Art. 3 GG ergebende Willkürverbot dar. Die „völlige Ausschaltung des richterlichen Ermessens” ist sachlich nicht gerechtfertigt und verletzt das „allgemeine Gerechtigkeitsempfinden”.

 

Normenkette

InsO § 14 Abs. 3

 

Gründe

1.

Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz v. 6.4.2011 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin mit der Begründung, diese sei ihrer Verpflichtung zur fristgerechten und vollständigen Beitragszahlung als Arbeitgeberin nicht nachgekommen.

Weitere Ausführungen der Antragstellerin zum Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit unterblieben.

Die Schuldnerin wurde zu dem Antrag gehört und hat in der Folgezeit die dem Antrag zugrunde liegende Forderung beglichen.

Mit Schreiben v. 18.5.2011 hat die Antragstellerin ihren Antrag aufrechterhalten unter Hinweis auf das vorangegangene Insolvenzverfahren (Az.: IN 373/10) und die Regelung des § 14 InsO.

Das damalige Verfahren hatte sich ebenfalls durch Zahlung der Schuldnerin erledigt.

In dem eingeholten Gutachten gelangte die Sachverständige zu dem Ergebnis, dass eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht gegeben sei.

Die Antragstellerin hat dennoch ihren Insolvenzantrag aufrechterhalten.

Das AG Deggendorf hat daraufhin mit Beschl. v. 13.7.2011 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Hiergegen wurde seitens der Antragstellerin Beschwerde eingelegt unter Hinweis auf die Regelung des § 14 Abs. 3 InsO.

2.

§ 14 Abs. 3 InsO ist nach Ansicht des entscheidenden Gerichts verfassungswidrig.

Dies ist für das vorliegende Verfahren auch entscheidungserheblich, denn von der Entscheidung dieser Frage hängt es ab, ob der Beschwerde stattzugeben ist oder nicht.

Die Regelung des § 14 Abs. 3 InsO in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung stellt nach Ansicht des entscheidenden Gerichts einen krassen Verstoß u.a. gegen das aus Art. 3 GG resultierende Willkürverbot dar.

Während bei einer in vergleichbaren Sachverhalten abgegebenen Erledigungserklärung dem entscheidenden Gericht ein Ermessensspielraum, zugebilligt wurde bzgl. der zu treffenden Kostenentscheidung, beinhaltet die Regelung des § 14 Abs. 3 InsO in der derzeitigen Form eine völlige Ausschaltung des gerichtlichen Ermessens, wofür es aus Sicht des unterzeichnenden Richters keinerlei sachlich und rechtlich tragfähige Begründung gibt.

Es entspricht vielmehr – nicht nur der Gesetzeslage in der sonstigen Gesetzgebung – sondern auch dem allgemeinen Rechtsempfinden, dass bei Einreichung eines unbegründeten Antrags, einer unbegründeten Klage, eines unbegründeten Rechtsmittels und ähnlicher Sachverhalte immer die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens trägt. Warum dies im vorliegenden Fall anders sein soll, ist in keiner Weise ersichtlich.

Auch wenn man bei Zugrundelegung der Gesetzesbegründung davon ausgehen muss, dass mit der gegebenen Regelung u.a. die Sozialkassen von Kosten entlastet werden sollten, so ist dieses Motiv im Gesetzeswortlaut in keiner Weise erkennbar. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt die Kostenregelung des § 14 Abs. 3 InsO vielmehr jedem Antragsteller zugute.

Insofern handelt es sich aber beim derzeit geltenden Gesetzestext um eine vollkommen willkürliche kostenmäßige Besserstellung eines Gläubigers, der letztlich – obwohl sein Antrag unbegründet war – ohne jegliches Kostenrisiko das Insolvenzverfahren betreiben kann.

Eine Kostenregelung, in der der „Gewinner” eines gerichtlichen Verfahrens dennoch die angefallenen Verfahrenskosten tragen soll, ist jedoch nicht nur willkürlich, sondern widerspricht auch dem Rechtsstaatsprinzip und dem allgemei...

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