Leitsatz

  • Ein die vereinbarte Kostenverteilung ändernder Mehrheitsbeschluss wird mangels Anfechtung bestandskräftig

    Mehrheitlich abgelehnter Beschlussantrag ist ein wirkungsloser "Nichtbeschluss"

 

Normenkette

§ 10 WEG, § 21 Abs. 4 WEG, § 23 Abs. 4 WEG

 

Kommentar

1. Haben die Eigentümer den in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel durch Mehrheitsbeschluss geändert, so wird dieser Beschluss bestandskräftig, wenn er nicht in der Frist des § 23 Abs. 4 WEGangefochten worden ist (BGH, NJW 94, 3230; BayObLG, NJW-RR 93, 85; Palandt/Bassenge, BGB-Kommentar, 55. Aufl., § 10 WEG, Rn. 19). Von einem nichtigen Beschluss konnte vorliegend nicht ausgegangen werden.

2. Hat ein Antrag in der Eigentümerversammlung keine Mehrheit gefunden, so liegt ein Nichtbeschluss vor, der keinerlei Wirkung hat und daher auch nicht der Anfechtung unterliegt.

3. Die unzulässige Anfechtung eines Nichtbeschlusses kann jedoch unter bestimmten Umständen als zulässiger Antrag auf Entscheidung über die Ordnungsgemäßheit der Verwaltung ausgelegt werden (BayObLGZ 1972, 150/153). Die Voraussetzungen für eine solche Auslegung lägen auch im vorliegenden Fall vor, wenn man der Auffassung von Weitnauer (WE 95, 163/165) und Hauger (WE 93, 231/234) folgen würde, die einen Anspruch (hier: des Antragstellers) bejahen, jederzeit die Aufhebung des hier streitgegenständlichen Eigentümerbeschlusses als Maßnahme einer ordnungsgemäßen Verwaltung verlangen zu können (vgl. auch Weitnauer/Lücke, WEG-Kommentar, 8. Aufl., § 10 Rn. 56). Die genannten Autoren gehen davon aus, dass ein die Gemeinschaftsordnung ändernder, nicht angefochtener Mehrheitsbeschluss, sofern er nicht in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift, zwar nicht nichtig, sondern wirksam, wenn auch nicht bestandskräftig ist; ein solcher Eigentümerbeschluss könne nach dieser Meinung die Gemeinschaftsordnung nicht abändern, sondern überlagere sie nur; weil er rechtswidrig sei, könne er jederzeit mit Wirkung ex nunc (ab jetzt) aufgehoben werden und jeder Eigentümer jederzeit gem. § 21 Abs. 4 WEG die Aufhebung verlangen.

Dieser Ansicht kann der Senat nicht folgen (vgl. auch Demharter, FGPrax 95, 133/134; offengelassen von Wenzel, WE 95, 355/360). Sie ist mit der gesetzlichen Regelung des § 23 Abs. 4 WEG nicht zu vereinbaren. Die Rechtswidrigkeit eines nicht nichtigen Mehrheitsbeschlusses kann nur innerhalb der einmonatigen materiellen Ausschlußfrist geltend gemacht werden. Wird ein Beschluss nicht angefochten und für ungültig erklärt, wird er (endgültig) bestandskräftig und verliert damit den Makel der Rechtswidrigkeit. Gem. § 21 Abs. 4 WEG kann dann nicht mehr die Beseitigung des Eigentümerbeschlusses, sondern vielmehr seine Beachtung verlangt werden, weil der Eigentümerbeschluss die Gemeinschaftsordnung (wirksam) geändert hat.

Der Senat mußte insoweit die Sache aufgrund der entgegenstehenden Beschlussentscheidung des KG Berlin vom 24. 6. 1996 (WE 96, 390) nicht dem BGH nach § 28 Abs. 2 FGGvorlegen. Auch wenn das KG Berlin die Auffassung vertrat, dass ein die Gemeinschaftsordnung ändernder Mehrheitsbeschluss die dort getroffenen Vereinbarungen "nur überlagere", hielt das Kammergericht den Beschluss selbst jedenfalls für bestandskräftig. Die hier entscheidende Frage, ob ein Eigentümer jederzeit die Aufhebung eines die Gemeinschaftsordnung abändernden Mehrheitsbeschlusses als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung verlangen könne, ließ das KG allerdings ausdrücklich offen.

4. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert von DM 5.000,-.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 10.10.1996, 2Z BR 108/96= BayObLGZ 1996 Nr. 54)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

Diese Grundsatzentscheidung des BayObLG bestätigt auch die in diesem Werk von mir stets vertretene Auffassung der Möglichkeit einer sog. Zitterbeschlussfassung mit allen Folgewirkungen eines Eigentümerbeschlusses (in Übereinstimmung mit jüngster BGH-Rechtsprechung ab 1994). Sicher kann auch ein Mehrheitsbeschluss (zur Änderung vereinbarter Kostenverteilung) wieder durch neuerlichen Mehrheitsbeschluss (erneut als Zitterbeschluss) aufgehoben oder abgeändert werden. Bleiben Beschlüsse allerdings unangefochten, erzeugen sie - solange sie existent sind - die entsprechenden Bindungswirkungen nach § 10 Abs. 3 und Abs. 4 WEG.

Nichtige Beschlüsse (also solche, die gegen zwingendes Gesetz verstoßen, gegen Anstand und gute Sitten und solche, die nicht in die Kompetenz der Eigentümergemeinschaft zur Beschlussfassung fallen - so also auch Beschlüsse, die in den Kernbereich und in wohl erworbene Rechte der Eigentümer eingreifen -) entfalten demgegenüber keinerlei Rechtswirkungen und sind ex tunc (von Anfang an) nichtig; auf die Nichtigkeit kann sich jeder Beteiligte grundsätzlich jederzeit berufen.

Ein mehrheitlich abgelehnter Antrag ist demgegenüber gerade kein Beschluss, da Beschlussfassungen bekanntlich im Wohnungseigentumsrecht nur zustande kommen, wenn zu einem Antrag me...

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