Leitsatz

Weiter Gestaltungsspielraum zur Kostenverteilungsänderung auch aufgrund vereinbarter Öffnungsklausel

 

Normenkette

§ 10 Abs. 2 Satz 2 WEG

 

Kommentar

  1. Vorliegend war in der Gemeinschaftsordnung vereinbart, dass "die Eigentümer mit Zwei-Drittel-Mehrheit einen anderen Kostenverteilungsschlüssel beschließen können". Im Streit stand ein Beschluss, die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung der Außenfenster und Balkontüren den jeweiligen Wohnungseigentümern anzulasten, wobei die Zuständigkeit für die Maßnahme selbst, deren Durchführung und Umsetzung sowie Entscheidung über die Durchsetzung bei der Gemeinschaft verbleiben sollte. Die Gemeinschaft wollte hier eine bis dahin übliche Praxis durch entsprechenden Beschluss sanktionieren. Von den gesamt 97 Eigentümern stimmten 49 mit Ja und 3 mit Nein in beschlussfähiger Versammlung.
  2. Durch die Gesetzesreform wurde den Eigentümern bei Änderung oder Durchbrechung von Umlageschlüsseln aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt; dies gilt auch für die Verteilung von Instandsetzungskosten, bei der den Eigentümern ebenfalls ein nur eingeschränkt überprüfbares Gestaltungsermessen zusteht (vgl. Senat, Urteil v. 18.6.2010, V ZR 164/09 zu § 16 Abs. 4 WEG).
  3. Auch wenn der BGH früher die Änderung eines Umlageschlüssels aufgrund vereinbarter Öffnungsklausel davon abhängig gemacht hat, dass sachliche Gründe vorliegen, bedeutet dies nach neuem Recht nur noch, dass sowohl das "Ob" als auch das "Wie" einer Änderung nicht willkürlich sein darf und dass es sich hierbei um einen rechtlichen Gesichtspunkt handelt, der bei der Beantwortung der Frage zu berücksichtigen ist, ob die beschlossene Änderung Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht (vgl. Senat, Urteil v. 1.4.2011, V ZR 162/10 zu § 16 Abs. 3 WEG). Da die gesetzlichen Öffnungsklauseln nach § 16 Abs. 3 und 4 WEG auch bei der Änderung von Verteilerschlüsseln anwendbar sind, die vor dem Inkrafttreten der genannten Regelungen getroffen wurden (vgl. § 16 Abs. 5 WEG und Senat im Urteil v. 9.7.2010, NJW 2010 S. 2654 und v. 16.7.2010, NJW 2010 S. 3298), strahlt die vom Gesetzgeber intendierte Erweiterung des Gestaltungsspielraums auch auf Öffnungsklauseln aus, die unter der Geltung des früheren Rechts vereinbart oder in eine Teilungserklärung aufgenommen worden sind. Die Neuregelung soll auch die unpraktikable Abgrenzung und den vielfach problematischen Nachweis vermeiden, ob Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen "infolge unsachgemäßer Behandlung" erforderlich geworden sind (wie auch hier in der Gemeinschaftsordnung vereinbart).
  4. Allerdings wurde im vorliegenden Fall die vereinbarte Zwei-Drittel-Mehrheit nicht erreicht. Eine solche Klausel ist auch vor dem Hintergrund der mit baulichen Veränderungen typischerweise einhergehenden erheblichen finanziellen Folgen nächstliegend dahin auszulegen, dass die Abänderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit aller und nicht nur der in der Versammlung anwesenden Wohnungseigentümer erfordert (vgl. Senatsurteil v. 1.4.2011, V ZR 162/10). Vorliegend haben allerdings nur 49 Wohnungseigentümer von 97 zugestimmt.
  5. Auch unter dem Blickwinkel des § 16 Abs. 4 WEG kann die beschlossene Änderung keinen Bestand haben, weil sie nicht lediglich einen Einzelfall betrifft.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 10.6.2011, V ZR 2/10

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