Leitsatz

1. Die Ausgabe neuer Aktien stellt keinen Umsatz dar, der in den Anwendungsbereich von Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rats vom 10.4.1995 geänderten Fassung fällt.

2. Nach Art. 17 Abs. 1 und 2 der 6. EG-RL in der durch die Richtlinie 95/7 geänderten Fassung besteht ein Recht auf Abzug der gesamten Vorsteuer, die die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die verschiedenen Leistungen belastet, die er im Rahmen einer Ausgabe von Aktien bezogen hat, sofern es sich bei sämtlichen Umsätzen, die dieser Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vornimmt, um besteuerte Umsätze handelt.

 

Normenkette

Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 6. EG-RL (? 4 UStG)

 

Sachverhalt

Kretztechnik, eine in Österreich ansässige AG, hatte eine Kapitalerhöhung durch die Ausgabe von auf den Inhaber lautenden Aktien beschlossen und dementsprechende Aktien an der Börse ausgegeben. Das FA ließ die hiermit im Zusammenhang stehenden Vorsteuerbeträge nicht zum Abzug zu.

 

Entscheidung

Nach den in den Praxis-Hinweisen dargelegten Grundsätzen handelt sich bei den Aufwendungen bei Ausgabe von Aktien um Kosten, die Teil der allgemeinen Kosten der AG sind und damit zu den Preiselementen ihrer Produkte gehören. Solche Dienstleistungen hängen direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen.

 

Hinweis

Nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL befreien die Mitgliedstaaten "die Umsätze – einschließlich der Vermittlung, jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung – die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, …" von der Steuer.

Die Vorlage des österreichischen Gerichts betraf die Frage, ob eine Aktiengesellschaft bei Durchführung eines Börsengangs und der damit zusammenhängenden Ausgabe von Aktien an neue Aktionäre gegen Zahlung eines Ausgabepreises eine – steuerfreie – Leistung gegen Entgelt i.S.d. Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL erbringt und ob bzw. inwieweit ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht.

Die Grundsätze:

(1) Der bloße Erwerb und das bloße Halten von Aktien können nicht als wirtschaftliche Tätigkeiten i.S.d. 6. EG-RL angesehen werden. Denn der bloße Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen stellt nämlich keine Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen dar, weil eine etwaige Dividende als Ergebnis dieser Beteiligung auf dem bloßen Eigentum an dem Gegenstand beruht und keine Gegenleistung für eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinn dieser Richtlinie ist (Rdnr. 19).

(2) Stellt der Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen als solcher keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. 6. EG-RL dar, so muss dasselbe auch für die Veräußerung solcher Beteiligungen gelten (Rdnr. 19).

(3) Dagegen fallen Umsätze, bei denen es um die nachhaltige Erzielung von Einnahmen aus Tätigkeiten geht, die über den bloßen Erwerb und den bloßen Verkauf von Wertpapieren hinausgehen, wie etwa Umsätze bei einem Wertpapiergeschäft im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit, in den Anwendungsbereich der 6. EG-RL; sie sind allerdings nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 von der Mehrwertsteuer befreit (Rdnr. 20).

(4) Für das Wesen des betreffenden Umsatzes macht es keinen Unterschied, ob er von einem Unternehmen im Rahmen seiner Börseneinführung oder von einem nicht börsennotierten Unternehmen ausgeführt wird.

(5) Die Ausgabe neuer Aktien – bei denen es sich um Wertpapiere handelt, die einen nichtkörperlichen Gegenstand repräsentieren – kann nicht als Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt (Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL) angesehen werden (Radnr. 22).

(6) Da eine Personengesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen keine Dienstleistung gegen Entgelt i.S.d. Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL erbringt (so bereits EuGH, Urteil vom 26.6.2003, EuGH C-442/01 – KapHag Renditefonds, BFH-PR 2003, 357), muss für die Ausgabe von Aktien zur Aufbringung von Kapital dasselbe gelten. In beiden Fällen besteht das Ziel in der Aufnahme neuen Kapitals. Aus der Sicht des Anteilseigners stellt die Zahlung der zur Kapitalerhöhung erforderlichen Beträge keine Gegenleistung dar, sondern eine Investition oder Kapitalanlage. Ein solcher Umsatz fällt – unabhängig davon, ob er aus Anlass der Börseneinführung der betreffenden Gesellschaft ausgeführt wird oder nicht – nicht in den Anwendungsbereich der 6. EG-RL (Rdnrn. 26 ff.).

(7) Ausgehend vom Grundsatz der Neutralität der USt und dass der Unternehmer über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten Umsatzsteuer entlastet werden soll, begrenzt dadurch, dass das Recht auf Abzug von Vorsteuerbeträgen nur gegeben ist, wenn die hierfür getätigten Aufwendungen direkt und unmittelbar zu den Kostenelementen der versteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören, ist entscheidend,

  • dass die Ausgabe von Aktien der Kapitalbeschaffung dient,
  • es sich um einen Umsatz handelt, der nicht in den Anwe...

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