Die Klage hat Erfolg! Der Verwalter hätte M tatsächlich vor der Beschlussfassung Einsicht in die Abrechnungsunterlagen geben müssen. Das Einsichtsrecht des Wohnungseigentümers unterliege keinen weiteren Voraussetzungen und werde nur durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) und das Schikaneverbot (§ 226 BGB) begrenzt (BGH, Urteil v. 11.2.2011, V ZR 66/10, NJW 2011 S. 1137). Ein Wohnungseigentümer sei auch berechtigt, einen Dritten zur Einsichtnahme zu bevollmächtigen. Zur Wahrung des Geheimhaltungsinteresses der übrigen Wohnungseigentümer habe er in diesem Fall zwar ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme nachvollziehbar darzulegen (Häublein in Staudinger, 2018, § 28 WEG Rz. 323 und Rz. 324; Becker in Bärmann, 13. Auflage, § 28 WEG Rz. 159), diese Anforderung habe M aber auch erfüllt. Der Vorwurf, M habe früher Unterlagen, in die er Einsicht erhalten habe, an andere Bewohner in schriftlicher Form verteilt, sei nicht hinreichend substanziiert. Ob sich der in der verweigerten Einsichtnahme liegende Beschlussmangel auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt habe, bedürfe keiner Feststellung, weil die Verweigerung der Einsicht einen Eingriff in den "Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte" darstelle (BGH, Urteil v. 10.12.2010, V ZR 60/10, NJW 2011 S. 679; LG Frankfurt a. M., Urteil v. 12.1.2017, 2-13 S 48/16, ZMR 2017 S. 824).

Hinweis

Im Fall geht es um 3 Fragen:

  1. Muss der Verwalter einem Wohnungseigentümer bzw. seinem Vertreter Einsicht in die Verwaltungsunterlagen geben?
  2. Muss der, der Einsicht nimmt, besondere Anforderungen erfüllen?
  3. Ist ein Beschluss allein aus dem Grund anfechtbar, dass der Verwalter eine Einsichtnahme zu Unrecht verweigert hat?

Zu diesen 3 Fragen gilt Folgendes:

  • Nach ganz h. M. muss der Verwalter jedem Wohnungseigentümer Einsicht in die Verwaltungsunterlagen gewähren.
  • Der Wohnungseigentümer selbst muss für sein entsprechendes Begehren keine Gründe nennen und darf auch mehrfach kommen. Nach wohl h. M. soll hingegen eine Person, die der Wohnungseigentümer zur Einsichtnahme ermächtigt hat, ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme nachvollziehbar darlegen müssen. Mathias Becker, auf den sich das LG bezieht, begründet diese Ansicht nicht. Bei Martin Häublein ist es anders. Er führt aus, nicht nur die Versammlung der Eigentümer, sondern erst recht deren Verwaltungsunterlagen seien "nichtöffentlich". In Abhängigkeit vom Umfang der gewünschten Einsichtnahme und der damit verbundenen Beeinträchtigung des Geheimhaltungsinteresses der Miteigentümer müsse der Anspruchsteller daher nach zutreffender – aber umstrittener – Ansicht ein "berechtigtes Interesse" an der Einsichtnahme nachvollziehbar darlegen. Sofern für Vertreter Beschränkungen abgelehnt werden würden, werde übergangen, dass es nicht um Vertretung i. S. d. §§ 164ff. BGB gehe. "Beratende Fachleute", zumal solche, die von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet seien, werde der Eigentümer allerdings stets hinzuziehen oder entsenden können. An ihre Legitimation seien keine hohen Anforderungen zu stellen, sodass Visitenkarten und Lichtbilddokument regelmäßig genügten. Zum Beleg dieser Überlegungen verweist Häublein im Kern auf das LG Hamburg (Urteil v. 5.10.2011, 318 S 7/11, ZMR 2012 S. 292). Dieses meinte, es sprächen "grundsätzliche Erwägungen" dafür, die Einsichtnahme in Verwaltungsunterlagen durch Dritte, die im (fremden) Interesse eines Wohnungseigentümers handelten, neben einer Bevollmächtigung oder Ermächtigung an die weitere Voraussetzung zu knüpfen, dass ein nachvollziehbares und berechtigtes Interesse in der Person des Eigentümers gegeben sein müsse, gerade einen bestimmten Dritten mit der Wahrnehmung seiner eigenen Rechte zu betrauen anstatt die begehrte Einsichtnahme selbst vorzunehmen. Diese Erwägung berücksichtige die "gegebenenfalls kollidierenden Interessen" der beteiligten übrigen Wohnungseigentümer und "wäge die widerstreitenden Interessen" miteinander ab. Während der Einsichtsbegehrende ein anerkennenswertes Recht auf den Einblick in die Verwaltungsunterlagen habe, so sei es den übrigen Eigentümern berechtigterweise daran gelegen, dass sowohl ihre personenbezogenen Daten, die in den Verwaltungsunterlagen mit enthalten seien, als auch gemeinschaftsbezogene Daten, nicht gegenüber jedermann offenbart werden, sondern "für einen gewissen, aber notwendigen Grad an Geheimhaltung Sorge getragen" werde. Dieses Geheimhaltungs- oder Integritätsinteresse der übrigen Eigentümer müsse zwar nicht zwingend dadurch gewahrt werden, dass der Einsichtsbegehrende eine Person zur Vornahme der Einsicht bevollmächtige oder ermächtige, die von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sei. Der jeweilige Eigentümer, der die Einsicht nicht selbst sondern durch einen Dritten vornehmen wolle, müsse daher dartun und gegebenenfalls auch beweisen, weshalb die von ihm bevollmächtigte oder ermächtigte Person ebenso oder besser in der Lage und vertrauenswürdig sei, die Einsicht vorzunehmen, wie er selbst. Diese Argumentation ist kau...

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