Leitsatz

Der Ablauf der für einen Kontokorrentkredit vereinbarten Frist oder die Fälligstellung eines solchen Kredits führt nicht ohne weiteres zur Beendigung des Kontokorrentverhältnisses. Entscheidend für die Frage dessen Fortbestehens ist in diesem Fall, was die Parteien insoweit ausdrücklich oder stillschweigend vereinbaren.

 

Sachverhalt

Die beklagte Bank gewährte dem Kläger 1993 einen bis zum 31.8.1994 befristeten Kontokorrentkredit von 200 000 DM. Der Kredit wurde im Dezember 1994 einvernehmlich auf 50000 DM reduziert und bis zum 30.8.1995 verlängert. Als der Kreditnehmer den Debetsaldo nicht zurückzahlte, forderte die Beklagte dessen Ausgleich bis zum 8.12.1995. Der Kläger bekundete darauf am 12.12.1995 sein Interesse an der Fortsetzung der Bankverbindung, worauf die Beklagte mit Schreiben vom 2.1.1996 erklärte, eine neuerliche Kreditierung setze die Vorlage banküblicher Unterlagen und Sicherheiten voraus. Am 10.1.1996 führte die Bank dennoch zwei Überweisungen über insgesamt 21 200 DM aus. In der Folgezeit erteilte die Bank in jedem Quartal Rechnungsabschlüsse, denen der Kläger bis einschließlich 1998 nicht widersprach. Den Ausgleich des Debetsaldos verlangte die Bank nicht. Erst mit Schreiben vom 8.3.1999 kündigte sie "vorsorglich" den Konto- und Kreditvertrag zum 9.4.1999 und forderte den Kläger auf, den Sollsaldo per 3.3.1999 von ca. 112 500 DM, hierin enthalten Zinsen von ca. 39 600 DM für den Zeitraumab dem 1.1.1995, zu entrichten. Der Kläger beglich diese Forderung unter Vorbehalt und verlangte anschließend Rückerstattung der berechneten Zinsen mit der Begründung, das Vertragsverhältnis mit der Bank sei bereits zum 30.8.1995 vollständig beendet worden. Klage und Berufung waren erfolglos. Der BGH hat die Sache jetzt zur weiteren Aufklärung und erneuten Entscheidung an das OLG zurück verwiesen.

 

Entscheidung

In Fällen wie dem vorliegenden ist nicht von einem einheitlichen Vertragsverhältnis zwischen den Beteiligten auszugehen. Vielmehr bestehen ein Kredit- und ein Kontokorrentverhältnis nebeneinander. Durch Zeitablauf war daher am 30.8.1995 allein das Kreditverhältnis beendet. Laut BGH führt der Ablauf der für einen (Kontokorrent-)Kredit vereinbarten Frist nicht ohne weiteres auch zur Beendigung des Kontokorrentverhältnisses. Entscheidend ist vielmehr, was die Parteien insoweit ausdrücklich oder stillschweigend weiter vereinbaren[1]. Das Verhalten der Beteiligten lässt nach Meinung des Gerichts deutlich erkennen, dass sie das Kontokorrentverhältnis auch nach dem 30.8.1995 fortführen wollten. Mangels ausdrücklicher Vereinbarung zieht das Gericht diesen Schluss aus den festgestellten Umständen. Die regelmäßig übersandten Saldenmitteilungen, die ohne Widerspruch blieben[2], waren hierfür ebenso indiziell wie das Schreiben vom 12.12.1995, mit dem ein entsprechendes Interesse auch der Kläger dokumentiert wurde. Ebenso war die widerspruchslose Ausführung der beiden Überweisungen in diese Richtung zu werten.

Der Senat folgte der Ansicht des OLG jedoch nicht, soweit dieses der Bank das Recht zubilligte, ab dem 30.8.1995 bis zum 9.4.1999 Überziehungszinsen in Rechnung zu stellen. Denn mit dem Ablauf des Kontokorrentkreditvertrags am 30.8.1995 befand sich die Kreditnehmerin ohne weitere Mahnung in Verzug[3]. Für die Zeit des Verzugs kann die Bank nur Schadensersatz verlangen, aber keine (Überziehungs-)Zinsen für den Betrag, der die eingeräumte Kreditlinie überschreitet[4]. Zur Dauer eines möglichen Verzugs, der Höhe des etwaigen Schadens und einer in der Folge möglicherweise konkludent getroffenen Vereinbarung über die weitere Inanspruchnahme des Debetsaldos lagen dem BGH keine Feststellungen vor, weshalb die Sache nicht entschieden werden konnte.

Die Richter weisen in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass Ersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt des Verzugs nicht mehr geltend gemacht werden können, wenn die Beteiligten – auch stillschweigend – vereinbart haben, den in Rede stehenden Betrag weiter als Darlehen zu nutzen. Denn dann ist der Rückzahlungsanspruch nicht ohne weiteres fällig. Vielmehr müsste die Darlehensgeberin zunächst eine – jederzeit mögliche[5] – Kündigung aussprechen. In diesem Fall könnte die Bank mangels ausdrücklicher Vereinbarungen nur die in ihrem allgemeinen Preisverzeichnis ausgewiesenen Zinsen verlangen, nicht jedoch zusätzliche Überziehungszinsen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 20.05.2003, XI ZR 235/02

[1] Vgl. BGH-Beschluss vom 18.12.1986, III ZR 56/86,WM 1987, S. 342; BGH-Urteil vom 21.5.1987, III ZR 56/86, WM 1987, S. 897
[2] Vgl. Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 AGB Banken
[5] Vgl. ebenda

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