I. Muster: Fristen beachten und Zugang der Bescheide klären

 

Rz. 1

Muster 9.1: Fristen beachten und Zugang der Bescheide klären

 

Muster 9.1: Fristen beachten und Zugang der Bescheide klären

_________________________ (Adresse)

Sehr geehrte/r Herr/Frau _________________________,

1. Im Verwaltungsrecht können leicht Fristen versäumt werden.

Bitte beachten Sie, dass ein belastender oder ablehnender Bescheid auch dann bestandskräftig wird, wenn er rechtswidrig ist. Meist besteht hier eine Rechtsbehelfsfrist von lediglich einem Monat ab Bekanntgabe des Bescheides. Auch für die Geltendmachung von Ansprüchen auf öffentlich-rechtliche Leistungen bestehen häufig Ausschlussfristen. Bitte beachten Sie die Rechtsbehelfsbelehrungen auf dem Bescheid.

2. Beispiele für Fristen

a) Für öffentlich-rechtliche Leistungen besteht grundsätzlich kein Leistungsanspruch mehr für die Vergangenheit, zum Beispiel beim BAföG, also ist es sinnvoll, sobald wie möglich einen Antrag stellen, einzelne Unterlagen können noch nachgereicht werden.
b) Für Beamte ist die Meldung eines Dienstunfalles die Voraussetzung für Unfallfürsorgeleistungen, grundsätzlich besteht eine Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Unfall.
c) Die Widerspruchsfrist gegen einen ablehnenden oder belastenden Bescheid beträgt einen Monat.
d) Häufig ist kein Widerspruch zulässig, sondern es muss sofort Klage eingereicht werden. Die Klagefrist beträgt einen Monat ab Zugang des Bescheides.
e) Sind Sie in einem Eilrechtsschutzverfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unterlegen, beträgt die Beschwerdefrist lediglich zwei Wochen.
f) Ist gegen Sie bereits ein belastendes Urteil ergangen, so muss hiergegen innerhalb eines Monats ab Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Ansonsten wird das Urteil bestandskräftig.

3. Belastende Bescheide und Urteile

Haben Sie eine Frist versäumt, besprechen Sie dies und die Gründe so schnell wie möglich mit uns! In Ausnahmefällen können wir hier evtl. noch helfen.

Achten Sie immer auf die Rechtsbehelfsbelehrung. Häufig sind spezialgesetzliche Regelungen zu beachten, so kann z.B. eine Rechtsbehelfsfrist im Asylverfahrensgesetz nur eine Woche betragen.

Haben Sie einen belastenden Bescheid oder ein belastendes Urteil erhalten, sollten Sie nach Möglichkeit auch den Briefumschlag mitbringen, um das Zugangsdatum feststellen zu können!

4. Vorläufiger Rechtsschutz – Eilrechtsschutz

Achtung: In einigen Fällen haben Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung, insbesondere z.B.

bei der einem Nachbarn erteilten Baugenehmigung
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten
bei der Abordnung oder Versetzung eines Beamten.

Es ist also immer zu prüfen, ob zusätzlich zu Widerspruch oder Klage noch ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden muss! Zum Beispiel kann das Verwaltungsgericht

bei einem bereits begonnenen Nachbarbauvorhaben einen vorläufigen Baustopp verhängen.

Wenn zu befürchten ist, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu erwarten ist, muss zur vorläufigen Sicherung der Rechte ein Eilrechtsschutzverfahren eingeleitet werden. Durch ein solches Verfahren kann vorläufiger Rechtsschutz erreicht werden. Zum Beispiel kann das Verwaltungsgericht

bei einer verweigerten Prüfungszulassung dem Prüfling die Teilnahme an der Prüfung ermöglichen
bei einem Konkurrentenstreit um eine Beamtenstelle die Besetzung der begehrten Stelle vorläufig untersagen.

Mit freundlichen Grüßen

_________________________

(Rechtsanwalt)

II. Erläuterungen

 

Rz. 2

& 1.

Die Monatsfrist für den Widerspruch ist in § 70 VwGO und die Frist für die Klage in § 74 VwGO geregelt. Für den Beginn und die Berechnung der Fristen gilt § 57 VwGO, der auf die ZPO verweist. Bei Zugang am 31. muss die Klage daher bis zum 30., bzw. im Februar zum 28., des Folgemonats eingehen. Der Zugang des Verwaltungsakts ist geregelt in § 41 VwVfG (Bekanntgabe). Zustellungen sind erforderlich nach § 56 VwGO (für fristauslösende gerichtliche Anordnungen) und nach § 73 Abs. 3 VwGO (für Widerspruchsbescheide) sowie nach spezialgesetzlichen Regelungen. Das förmliche Zustellungsverfahren ist geregelt in den Verwaltungszustellungsgesetzen des Bundes und der Länder.

 

Rz. 3

& 2.

a) Bei Anträgen auf öffentlich-rechtliche Leistungen besteht kein Leistungsanspruch mehr für die Vergangenheit, vergleiche zum Beispiel § 15 Abs. 1 BAföG
b) Bei Meldung eines Dienstunfalls grundsätzlich Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Unfall, s. z.B.§ 45 BBeamtVG, evtl. längere Fristen möglich
c) Belastende oder ablehnende Bescheide: Widerspruchsfrist (ein Monat), § 70 Abs. 1 VwGO
d) Klagefrist (ein Monat), § 74 Abs. 1 VwGO
e) Berufungszulassungsantrag, ein Monat nach Zustellung § 124a Abs. 4 VwGO, einzureichen beim VG, Begründungsfrist zwei Monate nach Zustellung, § 124 Abs. 3 und 4 VwGO beim OVG.
f) Beschwerdefrist an das OVG, § 147 VwGO, zwei Wochen nach Bekanntgabe, einzureichen beim VG, Begründungsfrist ein Monat nach Bekanntgabe, an OVG, § 146 Abs. 4 VwGO
 

Rz. 4

& 3.

Hat der Mandant eine Frist versäumt, ist...

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