A. Grundlagen

 

Rz. 1

Grundsätzlich trägt der RSV nicht die im Versicherungsschein vereinbarte Selbstbeteiligung je Leistungsart, § 5 Abs. 3c) ARB 94.

 

Rz. 2

Sofern dem VN aber ein Schadensersatzanspruch (Kostenerstattungsanspruch) gegen einen Dritten zusteht, geht der Anspruch auf den RSV über, soweit dieser dem VN den Schaden ersetzt hat. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden, § 86 Abs. 1 VVG. Mit den Auswirkungen auf die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung des VN beschäftigt sich der folgende Beispielsfall.

B. Fall

 

Rz. 3

Der VN beauftragte seinen Rechtsanwalt gegenüber dem Anspruchsgegner mit der außergerichtlichen Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen. Hierfür gewährte der RSV Deckungsschutz. Die Parteien einigen sich vergleichsweise über den Gegenstand des Rechtsstreits. Hierbei erklärt sich der Anspruchsgegner bereit, 50 Prozent der Forderung sowie die anteiligen Rechtsanwaltskosten zu übernehmen. Daraufhin rechnet der Rechtsanwalt des VN die Kosten seiner Inanspruchnahme gegenüber dem VN unter Abzug der von der Gegenseite erstatteten Rechtsanwaltsvergütung aus dem vollen Streitwert ab (sogenannte Rechtsanwaltsdifferenzvergütung) und bittet den RSV um diesbezügliche Freistellung von den Gebühren. Hiervon bringt der RSV die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung in Höhe von 150 EUR in Abzug und erstattet dem VN die Differenz. Er ist der Auffassung, der VN könne sich im vorliegenden Fall nicht auf das Quotenvorrecht gem. § 86 Abs. 1 VVG berufen.

C. Muster

 

Rz. 4

Muster 9.1: Selbstbeteiligung und Quotenvorrecht

 

Muster 9.1: Selbstbeteiligung und Quotenvorrecht

_________________________ Rechtsschutzversicherungs-AG

_________________________ (Anschrift)

Schaden-Nr.: _________________________

_________________________ (Anrede),

in vorbezeichneter Angelegenheit nehme ich Bezug auf Ihr Schreiben vom _________________________.

Entgegen Ihrer Auffassung sind Sie vorliegend nicht berechtigt, die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung von der in Rechnung gestellten Rechtsanwaltsdifferenzvergütung in Abzug zu bringen, weil die von der Gegenseite erstatteten Rechtsanwaltsgebühren gem. § 86 Abs. 1 VVG zunächst auf die nicht gedeckte Selbstbeteiligung zu verrechnen ist (Quotenvorrecht).

Denn § 86 Abs. 1 S. 2 VVG bestimmt, dass der Übergang nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden kann. Mit anderen Worten findet ein Forderungsübergang nur in dem Umfang statt, als der Erstattungsanspruch die vollen Kosten übersteigt.

Insoweit ist der Versicherungsnehmer berechtigt, Sie auf Ausgleich der vollen Rechtsanwaltsvergütung in Anspruch zu nehmen (AG Köln Urt. v. 5.7.2006 – 137 C 157/06 –, AGS 2007, 379; AG Wetzlar Urt. v. 27.6.2006 – 30 C 588/06 –, AGS 2007, 115).

Ich darf Sie daher höflich auffordern, die verbleibenden 150 EUR

bis spätestens zum _________________________ auf mein Geschäftskonto zu überweisen.

Freundliche Grüße

(Rechtsanwalt)

D. Hinweis

 

Rz. 5

Das Quotenvorrecht ist in der Rechtsprechung und Literatur auch für die Sparte der Rechtsschutzversicherung anerkannt, was nicht selten übersehen wird. Den häufigsten Anwendungsfall stellt die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung dar, wobei das Quotenvorrecht auch in den Fällen der nicht gedeckten Reisekostenerstattung oder in den Fällen der Kostenausgleichung nach § 106 ZPO zur Anwendung gelangt, wie Schneider anschaulich darstellt.[1]

 

Rz. 6

Die im Versicherungsschein vereinbarte Selbstbeteiligung wird gem. § 5 Abs. 3c) ARB 2000 je Rechtsschutzfall in Abzug gebracht. Sie kann somit mehrfach in Abzug gebracht werden, falls aufgrund desselben Ereignisses eine Vertretung auf verschiedenen Rechtsgebieten erforderlich wird. Dieser Punkt kann in den jeweiligen ARB unterschiedlich ausgestaltet sein. Hier und da bringen RSV den Selbstbehalt entgegenkommenderweise nur einmal in Ansatz.[2] Beanspruchen dagegen mehrere Geschädigte (in einem Fahrzeug als mitversicherte Personen) Deckungsschutz, dürfte der Selbstbehalt nur einmal in Ansatz gebracht werden, weil der RSV auch nur "einmal bis zur Höhe der Versicherungssumme zu leisten hat."[3]

[1] Schneider, Verschenktes Geld – das unbekannte Quotenvorrecht in der Rechtsschutzversicherung, ProzRB 2002, 20; ders., Das Quotenvorrecht in der Rechtsschutzversicherung und seine Durchsetzung, RVGreport 10/2011, 362 f. (mit Abrechnungsbeispielen).
[2] Schneider, Rechtsschutzversicherung für Anfänger, Rn 304 f.
[3] Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung, ARB 2000 § 5 Rn 206.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge