Rz. 24

Der Hersteller muss nicht nur für Schäden einstehen, die auf einer fehlerhaften Konstruktion oder Fabrikation des Produkts beruhen. Seinen Konstruktions- und Fabrikationspflichten nachgeordnet ist die Ins­truktionspflicht des Herstellers, die auf die Minimierung von Restrisiken gerichtet ist: Der Hersteller ­ist auch zum Ersatz solcher Schäden verpflichtet, die dadurch eintreten, dass er die Benutzer des Erzeugnisses pflichtwidrig nicht auf Gefahren aus der Produktverwendung hingewiesen hat, die trotz einwandfreier Herstellung bestehen können;[69] hinweispflichtig kann bereits der Gefahrverdacht sein.[70] Der Hersteller muss eine Anleitung geben für die Bedienung, den Gebrauch und die Dosierung seines Erzeugnisses sowie über Gefahren und schädliche Nebenwirkungen aufklären. Zu unzureichenden Hinweisen auf Nebenwirkungen chemischer Erzeugnisse existiert eine reiche Kasuistik, etwa Hinweis auf Feuergefährlichkeit, Ätzgefahr durch erhöhten Säuregehalt, Auslösung von Allergien oder gefährliche Ausdünstungen.[71]

 

Rz. 25

Welche Instruktionen jeweils erforderlich sind, hängt entscheidend von dem voraussichtlichen Benutzerkreis und dessen Erwartungen ab.[72] Vor Gefahren, die nach dem allgemeinen Erfahrungswissen der möglichen Abnehmergruppen bekannt sind, muss nicht gewarnt werden.[73] Es ist also keine Warnung vor offensichtlichen Gefahren erforderlich. So gehört das mit der Verwendung von Brennspiritus als Zündmaterial verbundene Risiko explosionsartiger Verpuffungen zum Grundwissen der Durchschnittsbevölkerung.[74] Ebenso wenig muss der Hersteller von Speiseöl auf die Gefahr hinweisen, dass mit Speiseöl verschmutzte, nicht ausreichend gereinigte textile Materialien im Wäschetrockner in Brand geraten können: Das ist eine Produktgefahr des Wäschetrockners und nicht des Speiseöls.[75] Auch muss der Käufer eines Gebäckstücks mit dem Namen "Kirschtaler" auch ohne Hinweis davon ausgehen, das darin Kirschkerne enthalten sein können:[76] Das gehört gleichfalls zum allgemeinen Gefahrenwissen des Benutzerkreises.

 

Rz. 26

Wird das Produkt von verschiedenen Verbraucherkreisen benutzt, ist auf die am wenigsten informierte und damit am meisten gefährdete Benutzergruppe abzustellen.[77] Innerhalb dieser Gruppe gilt aber als Maßstab das allgemeine und typische Erfahrungswissen des durchschnittlichen Benutzers. Ist ein Produkt ausschließlich für den Gebrauch durch Fachleute bestimmt und muss der Hersteller nicht damit rechnen, dass es in die Hände von mit den Produktgefahren nicht vertrauten Laien gerät, darf er seine Instruktionen an dem bei Fachleuten vorauszusetzenden Kenntnisstand ausrichten.[78] Dagegen trifft den Hersteller eine erweiterte Instruktionspflicht, wenn erfahrungsgemäß auch Kinder sein Produkt benutzen und sich daraus ein erhöhtes Gefahrenpotenzial ergeben kann. In diesem Fall können auch Hinweise an den Endverkäufer geboten sein, das Produkt nicht an Kinder abzugeben, wenn eine Verwendung unter Aufsicht von Erwachsenen nicht sichergestellt ist.[79]

 

Rz. 27

Grundsätzlich muss zwar nicht vor unsachgemäßem Gebrauch gewarnt werden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat die Warnpflichten jedoch auf Gefahren ausgedehnt, die bei einem zwar bestimmungswidrigen, aber nahe liegenden Fehlgebrauch entstehen.[80]

Begründet wird das mit der überlegenen Produktkenntnis des Herstellers, den insbesondere dann Hinweispflichten treffen, wenn ein Fehlgebrauch bekannt oder gar üblich geworden ist. Keine Hinweis- und Warnpflichten treffen den Hersteller im Allgemeinen bei einem absolut bestimmungswidrigen Gebrauch, wenn also die Schaden verursachende Verwendung des Produktes mit dem eigentlichen Produktzweck nichts mehr zu tun hat und ein Produktmissbrauch vorliegt.[81] Wird dem Hersteller jedoch ein verbreiteter Missbrauch bekannt, der zu erheblichen Gesundheitsschädigungen führen kann, so kommt eine Pflicht zur (ggf. nachträglichen) Warnung in Betracht.[82]

 

Rz. 28

Trifft den Hersteller eine Instruktionspflicht, müssen die dem Produkt beizugebenden Gebrauchs- und Warnhinweise in Form und Inhalt so klar, ausführlich und verständlich sein, dass sie einem Durchschnittsbenutzer den gefahrlosen Umgang mit dem Produkt ermöglichen. Wichtige Hinweise über Produktgefahren dürfen daher weder missverständlich sein[83] noch zwischen Informationen über Darreichungsformen, Werbeaussagen oder Garantiebedingungen versteckt werden.[84] Es kann geboten sein, den Verwender – etwa durch Anbringung von Piktogrammen – stets an die Gefährlichkeit des Produkts zu erinnern.[85] Es genügt auch nicht immer, wenn der Hersteller sich auf in Gesetzen, Rechtsverordnungen oder behördlichen Zulassungen verlangte Gefahrhinweise beschränkt, soweit dem Verbraucher auf diese Weise das Gefahrenpotenzial nicht umfassend mitgeteilt wird.[86]

 

Rz. 29

Besonders strenge Anforderungen sind an den Warnhinweis zu stellen, wenn die Verwendung des Produkts mit erheblichen Gefahren für die Gesundheit von Menschen verbunden ist.[87] Dann kann es unzureichend sein, allein die A...

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