Rz. 26

Die VP soll – in gewissen Grenzen – grundsätzlich die ärztlichen Anweisungen befolgen. Zu beachten sei etwa die Zumutbarkeit der Behandlungsmaßnahme, z.B. im Hinblick auf Therapieerfolg und –risiko, die wirtschaftliche Situation der VP und auch zeitliche Abläufe.[21]

Die Obliegenheit der Befolgung von ärztlichen Anordnungen ist neben praktischen Beweisproblemen auch insgesamt fragwürdig. Die Pflicht zur Durchführung einer Behandlung steht den Persönlichkeitsrechten entgegen. Zwar gibt es insbesondere im Seuchenrecht sinnvolle medizinische Verpflichtungen für den Einzelnen zum Schutz der Bevölkerungsmehrheit; davon kann aber im Rahmen der privaten Unfallversicherung regelmäßig nicht gesprochen werden. Es darf daher nicht zum (Teil-) Verlust von Ansprüchen führen, wenn die VP die Anordnungen des Arztes nicht oder nicht vollumfänglich befolgt. Auch wird man eine Pflicht zu einer Operation schwerlich annehmen können. Eine Schadenminderungspflicht (Rettungspflicht) gibt es für dieses Rechtsgebiet nicht. Man wird aber dort eine Grenze ziehen müssen, wo das Unterlassen der ärztlichen Ratschläge zu einer selbstständigen Schädigung führt. Das kann dann angenommen werden, wenn selbst einfache und ungefährliche Heilmaßnahmen verhindert oder auf unbestimmte Zeit verschleppt werden.

 

Beispiel

Die VP zieht sich eine Risswunde am Unterarm zu. Der Arzt legt einen Druckverband an und ordnet 1 Woche Ruhe und strikte Sauberkeit an. Entgegen der Anweisung des Arztes nimmt die VP den Druckverband nach dem Arztbesuch ab und arbeitet auf einer staubigen Baustelle weiter. Durch Verschmutzung entzündet sich die Wunde so stark, dass in der Folge der Unterarm amputiert werden muss.

Hier ist das Fehlverhalten der VP so gravierend, dass eine Obliegenheitsverletzung vorliegt.

[21] Prölss/Martin-Knappmann, AUB 2008 Nr. 7 Rn 4 f.

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