Rz. 114
Die sowohl in den ARB 94/2000, 2008 als auch in den ARB 2010 (§ 17 Abs. 1 lit. b bb ARB 2010) geregelte Warteobliegenheit beinhaltet die Verpflichtung des Versicherungsnehmers, unter Umständen den Ausgang eines anderen gerichtlichen Verfahrens abzuwarten, wenn dieses tatsächliche oder rechtliche Bedeutung für die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat.
Rz. 115
Die Regelung in § 17 Abs. 5 lit. c bb ARB 94/2000 ist insofern ausgeweitet worden, als die Einschränkung aus den ARB "aufgrund desselben Versicherungsfalles" nicht übernommen wurde. Dies bedeutet, dass jetzt auch in gleich gelagerten Fällen, beispielsweise bei Anlagebetrügereien, zunächst ein Kosten sparender Musterprozess geführt werden kann.
Rz. 116
Jedoch ist Voraussetzung für die Anwendung der Warteobliegenheit, dass bereits ein anderes gerichtliches Verfahren anhängig ist. Ein wichtiger Anwendungsbereich dieser Obliegenheit ist das Verkehrs- und Arbeitsrecht. Für den Bereich des Verkehrsrechtes dürfte in Betracht kommen, das Ergebnis eines Strafverfahrens abzuwarten, in dem schon der Sachverhalt und damit die Schuldfrage geklärt wird. Diese von Böhme[105] sowie Bauer[106] vertretene Ansicht muss jedoch differenzierter gesehen werden unter dem Aspekt, dass im Strafverfahren und zivilrechtlichen Schadenersatzverfahren unterschiedliche Beweisregeln zum Tragen kommen.
Rz. 117
Im arbeitsrechtlichen Verfahren kann der Versicherungsnehmer auf den Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens verwiesen werden, wenn er Lohnansprüche für einen Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend machen will. Zur Warteobliegenheit, betreffend den Weiterbeschäftigungsanspruch, wird verwiesen auf § 13 – Arbeitsrechtsschutz (siehe § 13 Rn 91 ff.).
Rz. 118
Die Warteobliegenheit wird jedoch dahin gehend eingeschränkt, dass der Verweis des Versicherungsnehmers auf den Ausgang eines anderen Verfahrens seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigen darf. Dies ist z.B. der Fall bei drohender Verjährung oder einer Erschwerung der Zugriffsmöglichkeiten auf den Gegner.[107]
Rz. 119
Zu der Problematik der Warteobliegenheit hat das OLG Hamm[108] ausgeführt:
Zitat
"Ob ein Versicherter sich … darauf verweisen lassen muss, zunächst nur einen Teil der Ansprüche einzuklagen, … ist danach zu beurteilen, wie sich ein nicht rechtsschutzversicherter Rechtsuchender, der auf Kostenüberlegungen keine Rücksicht nehmen muss, in gleicher Weise verhalten würde."
Hiernach ist jedenfalls in der Praxis in der Regel davon auszugehen, dass die Teilklage sicherlich die Ausnahme ist.
Rz. 120
Der Rechtsschutzversicherer ist nicht verpflichtet, Deckungsschutz für eine separate Klageerhebung des Versicherungsnehmers aufgrund eines Verkehrsunfalls zu gewähren, wenn bereits eine Klage des mitversicherten Ehemanns der Versicherungsnehmerin wegen desselben Unfalls anhängig ist.[109]
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