a) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

 

Rz. 342

Zitat

Art. 6 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG schützt die Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner, in welcher die Ehegatten ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung in gemeinsamer Verantwortung bestimmen. Dazu gehört auch die Vereinbarung über die innerfamiliäre Arbeitsteilung und die Entscheidung, wie das gemeinsame Familieneinkommen durch Erwerbsarbeit gesichert werden soll. Hierbei steht es den Ehepartnern frei, ihre Ehe so zu führen, dass ein Ehepartner allein einer Berufstätigkeit nachgeht und der andere sich der Familienarbeit widmet, ebenso wie sie sich dafür entscheiden können, beide einen Beruf ganz oder teilweise auszuüben und sich die Hausarbeit und Kinderbetreuung zu teilen oder diese durch Dritte durchführen zu lassen. Damit sind auch Leistungen, die sie jeweils im Rahmen der von ihnen in gemeinsamer Entscheidung getroffenen Arbeits- und Aufgabenzuweisung erbringen, als gleichwertig anzusehen. Daher haben beide Ehegatten grundsätzlich auch Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten, das ihnen zu gleichen Teilen zuzuordnen ist. Dies gilt nicht nur für die Zeit des Bestehens der Ehe, sondern entfaltet seine Wirkung auch nach Trennung und Scheidung der Ehegatten auf deren Beziehung hinsichtlich Unterhalt, Versorgung und Aufteilung des gemeinsamen Vermögens (BVerfG FamRZ 1978, 173; 1983, 342).

5. Dem entsprechen die gesetzlichen Regelungen über den Versorgungsausgleich (BVerfG FamRZ 1980, 326) und den Zugewinnausgleich (BVerfG FamRZ 1986, 543) bei Scheidung.[192]

Das Bundesverfassungsgericht postuliert also einen verfassungsrechtlich geschützten Teilhabeanspruch am Vermögen zumindest für die Hausfrauenehe.

[192] BVerfG FamRZ 2002, 527.

b) Auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gründende ursprüngliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

 

Rz. 343

Der Bundesgerichtshof hat aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seine Kernbereichstheorie entwickelt. Der Zugewinnausgleich ist hierbei aber weniger Ausfluss nachehelicher Solidarität als Ausdruck einer Teilhabegerechtigkeit, die zwar im Einzelfall ehebedingte Nachteile ausgleichen kann, in ihrer Typisierung aber weit über dieses Ziel hinausgreift. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar verdeutlicht, dass beide Ehegatten grundsätzlich auch Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten haben. Diese fiktive Gleichgewichtung schließt jedoch die Möglichkeit der Ehegatten, ihrer individuell vereinbarten Arbeitsteilung oder einer evident unterschiedlichen ökonomischen Bewertung ihrer Beiträge in der Ehe durch eine vom Gesetz abweichende einvernehmliche Regelung angemessen Rechnung zu tragen, nicht aus.

 

Rz. 344

Im Übrigen greife der Zugewinnausgleich über die teleologischen Grundlagen der Verfassungsgerichtsrechtsprechung insofern hinaus, als er aus Pauschalierungsgründen auch solche Wertschöpfungen ausgleiche, die überhaupt keine gemeinsame Lebensleistung der Ehegatten darstellen.[193] Die autonome Bewertungsbefugnis, wie sie in der gesetzlichen Eröffnung des Güterstands der Gütertrennung liege, sei nicht durch eine verfassungsrechtlich gebotene ökonomische Gleichbewertung ausgeschlossen. Hierfür fehle es an einer verfassungsrechtlichen Herleitung.[194]

 

Rz. 345

Der Zugewinnausgleich spielte daher in der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst praktisch keine Rolle.

[193] Gemeint sind wohl Lottogewinne und Schmerzensgelder.

c) Für Unternehmerehen erweiterte neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Lehre von der Funktionsäquivalenz zwischen Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich)

 

Rz. 346

Dies hat sich durch die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Funktionsäquivalenz von Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich nur wenig und allenfalls für Unternehmerehen geändert: In Fällen der Funktionsäquivalenz zwischen Zugewinn- und Versorgungsausgleich kann ein "Hinübergreifen" in das andere vermögensbezogene Ausgleichssystem im Einzelfall in Betracht kommen, insbesondere bei einer Hausfrauenehe, wenn der selbstständige Ehegatte seine Altersversorgung bei vereinbarter Gütertrennung allein auf die Bildung von Privatvermögen gegründet hat, grundsätzlich aber nicht bei einer Doppelverdienerehe.[195]

[195] BGH FamRZ 2013, 269 = NJW 2013, 457 = FF 2013, 119; 2013, 1366; FamRZ 2014, 1978 = NJW 2014, 52 = NZFam 2014, 1132 = FuR 2015, 224; OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 500.

d) Stellungnahme und Folgen für die Vertragsgestaltung

 

Rz. 347

Das Bundesverfassungsgericht postuliert einen Teilhabeanspruch an den in der Ehe geschaffenen Vermögenswerten incl. des Zugewinnvermögens (positives Interesse).[196]

 

Rz. 348

Der Bundesgerichtshof postuliert einen Abwehranspruch gegen ehebedingte Nachteile (negatives Interesse).

 

Rz. 349

 

Beispiel

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