Rz. 1

Für den Kündigungsschutz im "Arbeitskampf" kommt es zunächst darauf an, den Begriff des "Arbeitskampfes" und seine Grundlagen zu klären.

I. Rechtsgrundlagen

 

Rz. 2

Zu dem Begriff und den Voraussetzungen des Arbeitskampfes schweigt das Gesetz im Wesentlichen. Obgleich Arbeitskämpfe in Art. 9 Abs. 3 GG vorausgesetzt und dadurch grundsätzlich für zulässig erklärt werden, fehlt es an einer gesetzlichen Definition bzw. Regelung, unter welchen Voraussetzungen welche Arbeitskampfmaßnahmen ergriffen werden dürfen. Auch andere gesetzliche Bestimmungen – wie bspw. Art. 6 Nr. 4 der Europäischen Sozialcharta oder die Verfassungen der Länder Bremen, Rheinland-Pfalz und Berlin, die jeweils das Recht auf Streik vorsehen – geben insoweit keinen Aufschluss. Das Recht des Arbeitskampfrechts wird deshalb nur durch gesetzesvertretendes Richterrecht geprägt. Wesentlich für das heutige Verständnis des Arbeitskampfrechts sind dabei vor allem die Entscheidungen des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 28.1.1955[1] und 21.4.1971.[2]

[1] BAG GS v. 28.1.1955, BB 1955, 412 = SAE 1956, 10 = AP Nr. 1 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[2] BAG GS v. 21.4.1971, BB 1971, 701 = NJW 1971, 1668 = AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.

II. Begriffsbestimmung

 

Rz. 3

Arbeitskampf ist im weitesten Sinne jede kollektiv durchgeführte Maßnahme von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern, die die Gegenseite zielgerichtet unter Druck setzen soll.[3] Im engeren Sinne versteht man unter Arbeitskampf die kollektive Verweigerung arbeitsvertraglicher Pflichten, die auf die Initiative einer Tarifpartei zurückzuführen ist: Das klassische Kampfmittel der Arbeitnehmer ist dabei der Streik, bei dem die Arbeit niedergelegt wird. Dem Arbeitgeber steht die Aussperrung offen, d.h. die generelle Zurückweisung der Arbeitsleistung unter Verweigerung der Lohnzahlung. Die Aussperrung kann eine Reaktion auf einen begonnenen Streik sein (Abwehraussperrung) oder von den Arbeitgebern als Angriffsmittel genutzt werden (Angriffsaussperrung).

[3] ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn 94; HWK/Hergenröder, Art. 9 Rn 146.

III. Parteien des Arbeitskampfs (im engeren Sinne)

 

Rz. 4

Wie sich aus dem Zusammenhang des Art. 9 Abs. 3 GG ergibt, ist das Recht zum Arbeitskampf zunächst einmal den Koalitionen, d.h. den Tarifparteien vorbehalten.

 

Rz. 5

Damit können Streiks auf Arbeitnehmerseite zwar grundsätzlich nur durch die Gewerkschaften durchgeführt werden; die Rechtsprechung billigt aber auch nicht organisierten Arbeitnehmern das Recht auf Streikteilnahme zu, sofern sie ein berechtigtes Eigeninteresse am Ausgang des Arbeitskampfes haben.

 

Rz. 6

 

Beispiel

Ein nicht verbandsangehöriger Arbeitgeber behandelt die nicht organisierten und gewerkschaftsangehörigen Arbeitnehmer seines Betriebes gleich. In diesem Fall haben auch die nicht organisierten Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse an einem Arbeitskampf, der auf die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen abzielt. Sie sind berechtigt, den Streik zu unterstützen.

Dasselbe Recht kann den Arbeitnehmern eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers zustehen, wenn ihr standardisierter Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag "in seiner jeweils geltenden Fassung" verweist.

 

Rz. 7

Die Aussperrung ist grundsätzlich den Arbeitgeberverbänden vorbehalten und erstreckt sich in Ausnahmefällen auch auf Arbeitgeber, die nicht organisiert sind.[4] So sind Arbeitgeber, die keinem Arbeitgeberverband angehören, zur Aussperrung berechtigt, wenn um einen Firmentarifvertrag für ihr Unternehmen gekämpft wird.

 

Rz. 8

Der Arbeitskampf muss sich grundsätzlich gegen den anderen Tarifpartner richten. So kann auch ein nicht verbandsangehöriger Arbeitgeber bestreikt werden, um den Abschluss eines Firmentarifvertrages zu erzwingen.[5] Nach der Rechtsprechung kann sich eine Aussperrung im Übrigen – als Umkehrschluss zum uneingeschränkten Recht auf Streikteilnahme – auch gegen nicht gewerkschaftsangehörige Arbeitnehmer richten.[6]

Darüber hinaus hat das BAG zwischenzeitlich auch so genannte Unterstützungs- oder Sympathiestreiks grundsätzlich für zulässig erklärt.[7] Danach können Gewerkschaften zu Streikmaßnahmen aufrufen, um Dritte zum Abschluss von Tarifverträgen zu veranlassen. Darauf, ob die unterstützende und die tarifschließende Gewerkschaft identisch sind, soll es nicht entscheidend ankommen; denn maßgeblich sei letztlich das Ziel der Gestaltung von Arbeitsbedingungen. Dadurch können sich Streiks nunmehr auch gegen andere Unternehmen als den Tarifpartner richten. Verboten sind lediglich solche Unterstützungsstreiks, die offensichtlich ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen sind.

[5] Vgl. hierzu bspw. BAG v. 18.2.2003, NZA 2003, 866.
[6] BAG GS v. 28.1.1955, BB 1955, 412 = SAE 1956, 10 = AP Nr. 1 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG GS v. 21.4.1971, BB 1971, 701 = NJW 1971, 1668 = AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.

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