Rz. 41

Der Arbeitgeber kann mit der Abwehraussperrung auf Streikmaßnahmen reagieren, um selbst mit einer suspendierten Vergütungspflicht Druck auf die Arbeitnehmer auszuüben. Da ihm dies aber nur mittelbar gelingen kann, indem er seine Maßnahme gegen Arbeitnehmer richtet, die nicht streiken (die Gehaltsansprüche der Streikteilnehmer sind ohnehin suspendiert), muss er nach der Rspr. besondere Voraussetzungen einhalten:

Die Abwehraussperrung muss – weil es sich um eine Arbeitskampfmaßnahme im engeren Sinne handelt – von einem Arbeitgeberverband organisiert oder geleitet sein. Nicht verbandsangehörige Arbeitgeber können nur in Ausnahmefällen aussperren.
Die Abwehraussperrung muss als Reaktion auf einen (rechtmäßigen oder rechtswidrigen) Streik initiiert worden sein. Der Arbeitgeber muss dazu ausdrücklich oder konkludent gegenüber den Gewerkschaften bzw. betroffenen Arbeitnehmern erklären, dass er sich dem Streik beugt.[39] Es genügt deshalb nicht, dass er die Mitarbeiter "nach Hause schickt", ohne ihnen den Streik als Anlass hierfür zu nennen.[40]
Auf Grund des Verhältnismäßigkeitsprinzips darf die Aussperrung den Arbeitskampfrahmen weder in räumlicher noch in sachlicher Hinsicht ausweiten. In engen Grenzen ist es jedoch zulässig, dass nicht streikende Arbeitnehmer von der Abwehraussperrung betroffen werden:[41] Sind weniger als 25 % der Arbeitnehmer im Tarifgebiet zum Streik aufgerufen, darf der Arbeitgeberverband den Kampfrahmen auf bis zu 25 % der Arbeitnehmer erweitern; hat die Gewerkschaft mehr als 25 %, aber weniger als 50 % der Arbeitnehmer zur Arbeitsniederlegung bewogen, ist der Arbeitgeber berechtigt, bis zu 50 % der betroffenen Arbeitnehmer auszusperren; richtet sich der Streikaufruf an 50 % oder mehr Prozent der Arbeitnehmer, ist der Arbeitgeber im Umfang der Aussperrung frei.[42] Er ist berechtigt, die Aussperrung auch gegen nicht gewerkschaftsangehörige[43] oder sonderkündigungsgeschützte[44] Arbeitnehmer zu richten.
[39] BAG v. 27.6.1995, NZA 1996, 212 = BB 1996, 218; ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn 259.
[40] ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn 260.
[41] BAG v. 10.6.1980, BB 1980, 1525; BAG v. 12.3.1985, NZA 1985, 537 = NJW 1985, 2548.
[42] BAG v. 10.6.1980, BB 1980, 1525; diff. ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn 241 ff.
[43] BAG GS v. 21.4.1971, BB 1971, 701 = NJW 1971, 1668; BAG v. 22.10.86, NZA 1987, 494 = DB 1987, 1363; BAG v. 22.3.1994, NJW 1995, 477 = NZA 1994, 1097; BAG v. 18.2.2003, NZA 2003, 866.
[44] ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn 256 f.

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