Rz. 245

Gemäß § 2038 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 BGB kann jeder Miterbe die zur Erhaltung des Nachlasses notwendigen Maßregeln alleine treffen. Im Rahmen der Notverwaltung kommen nur solche Maßnahmen in Betracht, die zugleich zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören. Erforderlich ist, dass eine notwendige und zugleich dringliche Maßnahme getroffen wird,[45] die gerade wegen der Dringlichkeit nicht mehr mit den anderen Miterben abgestimmt werden kann.

 

Rz. 246

Das Notverwaltungsrecht kann der Minderjährige durch seinen gesetzlichen Vertreter ausüben. Handelt umgekehrt ein anderer Miterbe im Rahmen der Notverwaltung, so wird der minderjährige Miterbe, ebenso wie die anderen Miterben, aufgrund der gesetzlichen Vertretungsmacht des Handelnden[46] vertreten. Diese gesetzliche Vertretungsmacht erstreckt sich sowohl auf Verpflichtungs-, wie auf Verfügungsgeschäfte.

 

Rz. 247

Wenn eine solche Maßnahme im Rahmen der Notverwaltung den Vorschriften der §§ 1643, 1915, 1812, 1821, 1822 BGB unterliegt, d.h. eigentlich der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf,[47] dann kann es keinen Unterschied machen, ob der minderjährige Miterbe selbst durch seinen gesetzlichen Vertreter handelt oder ob ein anderer Miterbe in seinem Namen handelt. Vielfach würde im Hinblick auf die Dringlichkeit der Maßnahme nur die Erteilung einer Nachgenehmigung i.S.d. § 1829 BGB in Betracht kommen oder das Rechtsgeschäft würde nicht genehmigt und würde Schadensersatzansprüche gegen den Handelnden auslösen. Wenn man die familiengerichtliche Genehmigung bei Handeln der Erbengemeinschaft aufgrund eines Beschlusses aller Miterben für entbehrlich hält, wenn man die Genehmigung beim Handeln der Mehrheit der Miterben für die Erbengemeinschaft für entbehrlich hält, dann muss man sie bei Notverwaltungsmaßnahmen erst recht für entbehrlich halten, denn es muss wegen der Not schnell gehandelt werden – man kann weder auf den Beschluss der Gemeinschaft warten noch auf die familiengerichtliche Genehmigung, deren Erteilung sich über Monate hinziehen kann.

 

Rz. 248

Ungeklärt ist auch die Frage, wie nach h.M. bei einseitigen Rechtsgeschäften zu verfahren ist.

 

Beispiel

Ein Miterbe zu ⅛ erfährt von einem Irrtum i.S.d. § 119 Abs. 1 BGB und muss gemäß § 121 BGB unverzüglich den Verkauf eines Grundstücks durch die Erbengemeinschaft anfechten, um Schaden abzuwenden, weil der Käufer bereits über den Weiterverkauf verhandelt. Die Auflassung ist bereits in derselben notariellen Urkunde, die den Kaufvertrag enthält, abgegeben worden; der Eintragungsantrag wurde gestellt. Der Minderjährige, der mit ⅞ an der Erbengemeinschaft beteiligt ist, ist mit seinen Eltern auf einer länger dauernden Safari und diese haben kein Handy oder halten sich dort auf, wo es keinen Empfang gibt.

 

Rz. 249

Ohne eine Anfechtungserklärung fehlt die Grundlage für eine einstweilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO) mit dem Ziel einer Vormerkung des Rückauflassungsanspruchs (vgl. § 885 BGB). Die Anfechtung ist im vorliegenden Beispiel eine Verfügung über eine Forderung, die auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gerichtet ist (§ 1821 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Eine Verfügung liegt vor, weil durch die Anfechtungserklärung unmittelbar auf ein bestehendes Recht (Kauf, Auflassung) eingewirkt wird. Wendet man § 1821 Abs. 1 Nr. 2 BGB an, dann muss die Abgabe der Anfechtungserklärung gemäß §§ 1643 Abs. 3, 1831 BGB vor ihrer Abgabe vom Familiengericht genehmigt werden; dieser Umstand stünde dem Erfordernis der Unverzüglichkeit i.S.d. § 121 BGB nicht entgegen, weil man auf die Schnelligkeit der Erteilung einer gerichtlichen Genehmigung nicht einwirken kann, so dass Verzögerungen daraus nicht verschuldet sind. Wohl aber widerspricht auch nur das Warten auf die Genehmigung, z.B. über 14 Tage, dem Erfordernis der Dringlichkeit i.S.d. § 2038 Abs. 1 S. 2. Halbs. 2 BGB. Das stünde im Widerspruch zu § 885 BGB, der nicht einmal die Glaubhaftmachung der Gefährdung des Anspruchs verlangt, die aber hier vorliegt. Da § 1831 BGB sowieso eng auszulegen ist, entfällt das Erfordernis der vorherigen Erteilung der familiengerichtlichen Genehmigung.

 

Rz. 250

Ebenso wie beim Handeln der Erbenmehrheit ist bei Notverwaltungsmaßnahmen weder eine familiengerichtliche Genehmigung vonnöten, wenn ein Miterbe handelt, der Erbengemeinschaft aber ein Minderjähriger angehört, noch wenn ein minderjähriger Miterbe, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter, handelt (siehe Rdn 242).

[45] BGHZ 6, 76, 83.
[46] Soergel/Wolff, BGB, 13. Aufl., § 2038 Rn 12; MüKo/Gergen, BGB, 7. Aufl., § 2038 Rn 62.
[47] Eingehend: Damrau, ZEV 2006, 190.

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