Rz. 1

Die Regulierung von Personenschäden ist grundsätzlich verschieden von der Sachschadenregulierung. Bereits die fachliche Qualität der Sachbearbeiter der Versicherer ist eine wesentlich Bessere. Aber es findet auch viel mehr "orientalischer Basar" statt, es wird mehr taktiert und gepokert. Dies alles muss der Anwalt beherrschen.

 

Rz. 2

Es ist ein fundamentaler Irrtum, die Schwierigkeit einer Personenschadenregulierung zu unterschätzen. Es bedarf weit überdurchschnittlicher Fachkenntnisse des mit einem solchen Fall befassten Anwalts auf dem Gebiet des Schadensrechts. Denn vor allem die Großschadensachbearbeiter der Versicherer, aber auch deren Außenregulierer sind in aller Regel exzellente Spezialisten und profunde Kenner der Materie. Und es bedarf enormer Erfahrung – auch Lebenserfahrung – und psychologischen wie auch taktischen Geschicks. Denn solche Schadenregulierer sind mit allen Wassern gewaschen und normalerweise jedem noch so spezialisierten Anwalt haushoch überlegen.

 

Rz. 3

Die meisten Buchautoren zum Thema Personenschaden sind Spitzenjuristen in Versicherungen, deren Mitarbeiter infolge intensiver Schulung perfekt ausgebildet sind und die vor allem auch mit anderen Fachleuten, nicht nur innerhalb der Assekuranz, bestens vernetzt sind. Während der normale Anwalt verschiedenartige Mandate auch verschiedener juristischer Fachgebiete betreut, befassen sich solche Leute ausschließlich mit einem ganz kleinen Teil des Verkehrsrechts und dort wiederum innerhalb des Schadensrechts ausschließlich mit Personenschäden. Also beherrschen sie selbstverständlich die dazugehörige Rechtsprechung und Literatur wie kein anderer. Solche Spezialjuristen sollten einem forensisch tätigen Anwalt gehörigen Respekt abverlangen.

 

Rz. 4

Das Personenschadensrecht in Deutschland wird in allererster Linie von den Versicherern geprägt, was ja auch ohne weiteres nachvollziehbar ist, spielt doch gerade auf diesem Gebiet finanziell und wirtschaftlich "die Musik". Deshalb wird auch nirgendwo so unerbittlich auf beiden Seiten gekämpft wie auf dem Gebiet des Personenschadens.

 

Rz. 5

Wenn am Ende einer Regulierungsverhandlung der Regulierer der Versicherung stöhnt, seine nicht enden wollenden Bedenken mit gequälter Stimme zum Ausdruck bringt und größte Zweifel daran äußert, das es ihm gelingen wird, seinen Vorgesetzten oder gar Vorstand zu einer Zustimmung zu diesem Vergleich zu bewegen, dann müssen alle Alarmglocken läuten: Dann hat der Anwalt irgendetwas übersehen und ist zu einem viel zu niedrigen Verhandlungsergebnis gelangt. Dann war vielleicht noch reichlich "Luft drin"!

 

Rz. 6

Das zuvor erwähnte psychologische Einfühlungsvermögen ist aber auch im Verhältnis zu dem ganz speziellen Mandanten gefordert. Insbesondere bei Schwerverletzten oder Hinterbliebenen Getöteter ist oft auch viel zeitliche Investition erforderlich, um den Problemen gerecht zu werden. Es ist erforderlich, sich in die persönliche und wirtschaftliche Lage des Geschädigten hineinzuversetzen, um z.B. die Zukunftsrisiken zutreffend erfassen und verarbeiten zu können. Der Anwalt muss sich also viel Zeit nehmen, um sich einen Eindruck von der häuslichen und beruflichen Lebenssituation des Mandanten zu verschaffen. Er muss den Mandanten sehr gründlich kennen lernen und dies auch wollen.

 

Rz. 7

Es ist zudem sehr viel kaufmännisches Wissen erforderlich, um z.B. den Verdienstausfallschaden oder den Haushaltsführungsschaden zutreffend berechnen zu können. Daneben ist ein umfassendes Wissen darüber erforderlich, welcher Gutachter für welche Sachfrage in Deutschland den besten Ruf und die höchste fachliche Qualifikation hat. Wichtig ist auch zu wissen, welchen Gutachter man besser ablehnen sollte, da er bekanntermaßen ausschließlich für Versicherer arbeitet. Und es ist von Vorteil, wenn die Bearbeitungsweise des Gutachters bekannt ist, nämlich wer langsam – aber vielleicht gründlich – und wer schnell – aber vielleicht nicht minder gründlich – arbeitet.

 

Rz. 8

Bei einem derart großen, aber auch erforderlichen Aufwand stellt sich natürlich auch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit eines solchen Großschadenmandats. Und vor allen Dingen: Zu dessen Beginn ist in aller Regel nicht abzusehen, wie umfangreich sich der Fall entwickeln wird. Man kennt zu dem Zeitpunkt ja oft noch nicht einmal den Namen des gegnerischen Versicherers und weiß daher nicht, ob man es dort mit einem angenehmen oder unangenehmen Versicherer zu tun haben wird.

 

Rz. 9

Es hat sich erwiesen, dass ein Großschadenmandat mit gesetzlichen Gebühren in aller Regel nicht wirtschaftlich zu bearbeiten sein wird. Denn das Honorar richtet sich immer nur nach dem Gesamtgegenstandswert. Bei wiederkehrenden Leistungen (z.B. Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden, vermehrte Bedürfnisse) ist das nur der 5-fache Jahreswert (§ 42 Abs. 1 GKG). Ohne abschließende Kapitalabfindung rechnet sich der Fall also oftmals nicht. Aber eine Kapitalabfindung ist ja keinesfalls immer zweckdienlich im Sinne des Mandanten.

 

Rz. 10

Und noch unwirtschaftlich...

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