Rz. 150

Diese Art von Verbindlichkeiten entsteht aus Rechtshandlungen des Erben im Rahmen einer ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung. Für sie haften sowohl der Nachlass als auch das Eigenvermögen des Erben, d.h. der Gläubiger einer Nachlasserbenschuld kann sowohl auf den Nachlass als auch auf das Eigenvermögen des Erben zugreifen; er hat zwei Haftungsgrundlagen. Letztlich haftet dafür der Erbe also unbeschränkt.

 

Rz. 151

 

Beispiel

Der Erblasser hatte mit einem Hausbau begonnen, der weitgehend fertig gestellt ist. Der Erbe schließt bezüglich der Restarbeiten Werkverträge ab und nimmt dafür auch die bereits vom Erblasser beantragten Baukredite in Anspruch.

 

Rz. 152

Hier haftet der Erbe mit seinem Eigenvermögen auf der Grundlage der von ihm abgeschlossenen Verträge kraft Rechtsgeschäfts; es haftet aber auch der Nachlass, weil sich die Rechtsgeschäfte eindeutig auf einen Nachlassgegenstand beziehen.[192] Der Erbe könnte kraft rechtsgeschäftlicher Vereinbarung seine Haftung auf den Nachlass beschränken, wenn dies im Werkvertrag bzw. in den Darlehensverträgen bezüglich der Baukredite ausdrücklich so vereinbart würde.[193]

 

Rz. 153

Wird nach der Eingehung einer solchen Nachlasserbenschuld eine Haftungsbeschränkungsmaßnahme angeordnet (Nachlassverwaltung, Nachlassinsolvenzverfahren), so kann der Erbe Befreiung von der ihn persönlich treffenden Verbindlichkeit verlangen gem. § 257 BGB, wenn die Eingehung der Verbindlichkeit zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich war. Die Befreiung von der Verbindlichkeit wird vom Nachlassverwalter, bzw. -insolvenzverwalter erklärt. Hat der Erbe aus seinem Eigenvermögen die Verbindlichkeit erfüllt, so kann er gem. §§ 1978 Abs. 3, 670 BGB Ersatz aus dem Nachlass verlangen.

 

Rz. 154

Die Abgrenzung zwischen Eigenschulden des Erben und Nachlassverbindlichkeiten ist erforderlich um festzustellen, ob der Erbe nach § 1978 Abs. 3 BGB Ersatzforderungen gegen den Nachlass geltend machen und ob der Erbe im Prozess einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt nach § 780 Abs. 1 ZPO bekommen kann. Dafür wurde von der Rechtsprechung folgender Maßstab entwickelt:

 

Rz. 155

Vom Erben selbst eingegangene Verbindlichkeiten sind dann sowohl Eigenverbindlichkeiten als auch Nachlassverbindlichkeiten, wenn sie "vom Standpunkt eines sorgfältigen Verwalters in ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses eingegangen" wurden.[194] Entspricht die Verwaltungsmaßnahme, die zu der Begründung der betreffenden Verbindlichkeit geführt hat, nicht einer ordnungsmäßigen Verwaltung, so wurde damit keine Nachlassverbindlichkeit, sondern lediglich eine Eigenverbindlichkeit des Erben begründet.

 

Rz. 156

Eine Abwasserbeitragsschuld, die nach dem Tod des Erblassers entsteht, ist keine reine Nachlassverbindlichkeit, sondern eine eigene Verbindlichkeit des Erben, die insoweit nicht der Haftungsbeschränkung der §§ 1975, 1990 BGB unterliegt.[195]

 

Rz. 157

Praktische Bedeutung erlangt die Abgrenzung zwischen Nachlassverbindlichkeiten und Eigenverbindlichkeiten dann, wenn eine Haftungsbeschränkungsmaßnahme herbeigeführt wird. Mit der damit eintretenden Gütersonderung können Gläubiger des Erben wegen dessen Eigenschulden keinen Zugriff mehr nehmen auf Nachlassgegenstände (§ 1984 Abs. 2 BGB, § 784 Abs. 2 ZPO). Andererseits stehen den Nachlassgläubigern in diesem Falle Vermögensgegenstände des Erben aus seinem Eigenvermögen nicht mehr als Haftungsgrundlage zur Verfügung.

 

Rz. 158

Kosten eines Rechtsstreits: Es entspricht allgemeiner Meinung, dass Kosten eines Rechtsstreits, den der Erbe im Hinblick auf den Nachlass führt, Nachlasserbenschulden sind und dass deshalb ein Vorbehalt der Beschränkung der Erbenhaftung sich nur auf die Hauptsache, nicht aber auf die Kosten bezieht,[196] sofern es sich nicht um eine reine Erblasserschuld handelt oder einen vom Erblasser begonnenen und vom Erben aufgenommenen Rechtsstreit.

Will der Erbe der persönlichen Haftung wegen der Kosten der gerichtlichen Geltendmachung entgehen, dann bleibt ihm nur der Weg, unter den Voraussetzungen des § 93 ZPO den Anspruch unter Vorbehalt der Beschränkung der Erbenhaftung anzuerkennen.[197]

[192] BGHZ 38, 193.
[193] Vgl. Palandt/Weidlich, § 1967 Rn 10.
[194] BGHZ 32, 60 ff., 64; Staudinger/Marotzke, § 1967 BGB Rn 42.
[195] OVG Weimar, Beschl. v. 9.4.2009 – 4 EO 592/05, FamRZ 2009, 1866 = LKV 2009, 476; VG Halle ZEV 2011, 92.
[196] Soergel/Stein, § 1967 Rn 12; StaudingerMarotzke, § 1967 Rn 47; MüKo/Küpper, § 1967 Rn 37; Stein/Jonas/Bork, vor § 91 ZPO Rn 10a; Zöller/Stöber, § 780 Rn 7; OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 372; OLG Stuttgart JurBüro 1976, 675.
[197] OLG München JurBüro 1995, 659; Stein/Jonas/Bork, § 93 ZPO Rn 4; Zöller/Stöber, § 780 Rn 6; Staudinger/Marotzke, § 1967 BGB Rn 47.

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