I. Erblasserschulden

1. Allgemeines

 

Rz. 91

Um die Frage der Haftung des Erben beantworten zu können, muss primär geklärt werden, ob die fragliche Verbindlichkeit eine Nachlassverbindlichkeit darstellt. Erblasserschulden sind eindeutige Nachlassverbindlichkeiten. Sie rühren vom Erblasser her und bestanden bereits ihm gegenüber (§ 1967 Abs. 2 S. 1 BGB). Deshalb ist der Erbe mit der Annahme der Erbschaft verpflichtet, die Erblasserschulden genauso zu erfüllen, wie sie vom Erblasser zu erfüllen gewesen wären.[88] Gleichgültig ist, ob die Verbindlichkeiten auf Vertrag, unerlaubter Handlung oder öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen (bspw. Einkommensteuerschuld) beruhen. Dort, wo nur eine höchstpersönliche Erfüllung möglich ist, findet kein Schuldenübergang statt (bspw. die Verpflichtung des Dienstverpflichteten, § 613 BGB oder des Geschäftsführers, § 673 S. 1 BGB). Solche höchstpersönlichen Verpflichtungen erlöschen mit dem Tod des Erblassers.

[88] Steht der Erbe unter Betreuung, Vormundschaft oder Pflegschaft, so sind vormundschaftsgerichtlich genehmigungsbedürftige Erfüllungsgeschäfte, die aus einer Erblasserschuld herrühren, grundsätzlich vom Vormundschaftsgericht zu genehmigen, vgl. BayObLG MittBayNot 2000, 118.

2. Unterhaltsverbindlichkeiten

a) Grundsatz: Erlöschen von Unterhaltsansprüchen beim Tod des Unterhaltsschuldners

 

Rz. 92

Für Unterhaltsgläubiger gelten besondere Regeln: Der Anspruch auf Verwandtenunterhalt (z.B. eines Kindes) erlischt nach § 1615 Abs. 1 S. 1 BGB mit dem Tod des Unterhaltspflichtigen. Vom Erben als Nachlassverbindlichkeit zu erfüllen ist der Unterhaltsanspruch des Verwandten nur, wenn er auf Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung für die Vergangenheit gerichtet ist (§ 1613 Abs. 1 BGB). Dies gilt auch für die Unterhaltspflicht gegenüber dem überlebenden Ehegatten, von dem der Erblasser nicht geschieden war (§§ 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4 S. 4 BGB).

b) Ausnahme: Nachehelicher Ehegattenunterhalt

 

Rz. 93

Im Gegensatz dazu geht die Unterhaltsverpflichtung des Erblassers gegenüber einem geschiedenen Ehegatten als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben über (§ 1586b Abs. 1 BGB). Allerdings haftet der Erbe nur bis zur Höhe des Betrages, der dem Pflichtteil entspricht, der dem unterhaltsberechtigten Ehegatten zustünde, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre (§ 1586b Abs. 1 S. 3 BGB). Zur Berechnung des fiktiven Pflichtteils ist vom Gesamtnachlass im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, nicht im Zeitpunkt der Scheidung auszugehen. Güterrechtliche Besonderheiten sind nach § 1586a BGB nicht zu berücksichtigen. Der gesetzliche Erbteil bestimmt sich daher nur nach § 1931 Abs. 1 und 2 BGB (kleiner Pflichtteil).Eine Wiederverheiratung des Verpflichteten bleibt unberücksichtigt, dagegen sind weitere Pflichtteilsberechtigte – auch nach der Scheidung geborene Kinder – zu berücksichtigen.[89]

 

Rz. 94

Ob der Tod des Unterhaltsschuldners ein wichtiger Grund i.S.v. § 1585 Abs. 2 BGB ist, der dem Unterhaltsgläubiger das Recht gibt, eine Kapitalabfindung des Unterhalts verlangen zu können, ist ungeklärt. Es spricht aber vieles dafür. Aber nur der Gläubiger hat das Recht auf Abfindung, nicht auch der Erbe als Unterhaltsschuldner.

Zur Haftungshöchstsumme BGH im Urt. v. 29.11.2000:[90]

Zitat

"In die Haftungsgrenze des § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB sind (fiktive) Pflichtteilsergänzungsansprüche des Unterhaltsberechtigten gegen den Erben einzubeziehen."

 

Rz. 95

Dieses BGH-Urteil ist für die vielfältige prozessrechtliche und materiellrechtliche Problematik, die § 1586b BGB in sich birgt, unter mehreren Aspekten von Interesse:

Die Umschreibung eines gerichtlichen Vergleichs, der nachehelichen Ehegattenunterhalt regelt, nach §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 1, 727 ZPO auf den Erben des Unterhaltsschuldners wird als zulässig angesehen.
Die Abänderungsklage nach § 323 ZPO (und nicht zwingend die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO) ist die richtige Klageart, mit der ein Erbe des Unterhalt schuldenden Ehegatten u.a. das Erreichen der fiktiven pflichtteilsgleichen Haftungssumme des § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB geltend machen kann. Seit 1.9.2009 gelten für Unterhaltssachen die §§ 231 ff. FamFG, für die Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und Urkunden die §§ 238, 239 FamFG.
Die pflichtteilsgleiche Haftungssumme des § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB umfasst auch einen fiktiven Pflichtteilsergänzungsanspruch des unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten.
Neben der Haftungsbegrenzung aus § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB besteht die allgemeine Beschränkung der Erbenhaftung auf den Nachlass mit dem prozessualen Haftungsbeschränkungsvorbehalt des § 780 ZPO.
Der Haftungsbeschränkungsvorbehalt des § 780 ZPO steht nicht nur dem Beklagten eines Prozesses zu, sondern kann auch – je nach Prozess-Situation – vom Kläger geltend gemacht werden.
[89] Palandt/Brudermüller, § 1586b Rn 7.
[90] BGH NJW 2001, 828 = ZEV 2001, 113 = FamRZ 2001, 282.

aa) Zulässigkeit der Rechtsnachfolger-Umschreibung eines Unterhaltstitels auf Schuldnerseite

 

Rz. 96

Eine Titelumschreibung ist nur zulässig, wenn der titulierte gegen den Erblasser gerichtete Anspruch sich auch gegen den/die Erben richtet.

In der Literatur war lange umstritten, ob zwischen dem nachehelichen Ehegatten-Unterhaltsanspruch nach §§ 1569 ff. BGB einerseits und dem gegen ...

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