Rz. 234

Für die Beurteilung der tatsächlichen Dürftigkeit kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Erbfalls an, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Einrede, im Prozess also die letzte mündliche Tatsachenverhandlung.[274]

Ohne dass entsprechende Gerichtsbeschlüsse zur Frage der Dürftigkeit des Nachlasses vorlägen, hat der Erbe den Umfang des Nachlasses bezüglich aller Aktiva und Passiva darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen.[275] Dies kann etwa durch Vorlage eines vom Erben nach § 2009 BGB errichteten Inventars erfolgen (Formulierungsbeispiel siehe Rdn 238).[276]

 

Rz. 235

Die Dürftigkeitseinrede setzt voraus, dass eine die Kosten der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens deckende Masse fehlt – sog. dürftiger Nachlass – und deshalb die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht tunlich ist. Die Überschuldung des Nachlasses ist keine Voraussetzung für die Anwendung des § 1990 BGB. Es reicht aus, dass die Nachlassaktiva so geringfügig sind, dass die Kosten dieser beiden Verfahren nicht gedeckt sind. Den Nachweis der Dürftigkeit hat der Erbe zu führen. Er kann etwa durch die Errichtung eines Nachlassverzeichnisses dartun, dass es an einer kostendeckenden Masse fehlt. Entscheidender Zeitpunkt für die Feststellung der Dürftigkeit des Nachlasses ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter. Es wird nicht vorausgesetzt, dass der Nachlass schon im Zeitpunkt des Erbfalls dürftig war. Ist der Nachlass erst durch das Handeln des Erben dürftig geworden – etwa durch die Befriedigung von Gläubigern, unsachgemäße Verwaltung, verspätete Stellung des Insolvenzantrags – können Ersatzansprüche der Gläubiger bestehen, die dem Nachlass hinzugerechnet werden (§ 1978 Abs. 2 BGB), so dass die Dürftigkeit entfallen kann.[277]

[274] BGH ZEV 2011, 189; BGHZ 85, 280.
[275] OLG Düsseldorf Rpfleger 2000, 115.
[276] Staudinger/Marotzke, § 1990 Rn 3, 6; MüKo/Küpper, § 1990 Rn 3.
[277] Finanzgericht Baden-Württemberg EFG 2006, 1229 = ErbStB 2006, 247 = KKZ 2007, 158.

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