Rz. 78

Hat kein Aufgebot stattgefunden, kann jeder (Mit-)Erbe und sonstiger Berechtigter (siehe oben Rdn 69) die Einrede des § 1973 BGB dennoch gegenüber Nachlassgläubigern erheben, die ihre Forderung erst später als fünf Jahre nach dem Erbfall[108] gegenüber dem jeweiligen Erben geltend gemacht haben,[109] sog. Verschweigungseinrede, § 1974 BGB. Dies soll dem Erben Rechtssicherheit geben.

 

Hinweis

In der Insolvenz gilt § 327 Abs. 3 S. 1 InsO.

Miterben haften außerdem gemäß § 2060 Nr. 2 BGB nur noch als Teilschuldner.

 

Rz. 79

Bedeutung erlangt die Einrede vor allem dann, wenn nicht ohnehin die Einrede der Verjährung nach § 214 BGB erhoben werden kann, was regelmäßig am Schluss des dritten Jahres ab Entstehung und Kenntnis vom Anspruch der Fall ist, §§ 195, 199 BGB.[110] Dabei ist zu beachten, dass es für den Lauf der Fünf-Jahres-Frist anders als bei §§ 195, 199 BGB ohne Belang ist, ob der Gläubiger die Forderung geltend machen konnte[111] oder die Forderung überhaupt bereits entstanden war.

 

Rz. 80

Der Erbe kann sich dann nicht auf die Einrede berufen, wenn er positive Kenntnis von den Forderungen hatte.[112] Kennenmüssen genügt nicht.[113] Die Kenntnis eines Miterben wird den anderen Miterben nicht zugerechnet.[114] Gleiches gilt kenntnisunabhängig, wenn die Gläubiger die Forderungen im Rahmen eines Aufgebotsverfahrens angemeldet haben.[115]

 

Hinweis

Die späte Durchführung eines Aufgebotsverfahrens kann in diesem Fall also nachteilig für den Erben sein. Gleichwohl kann sie wegen § 1980 BGB erforderlich sein.

 

Rz. 81

Nicht betroffen sind auch hier wie i.R.d. § 1973 BGB dinglich berechtigte Gläubiger, §§ 1974 Abs. 3, 1971 BGB. Von § 1974 BGB betroffen sind hingegen auch Gläubiger i.S.d. § 1972 BGB.[116] Hierin liegt die Bedeutung des § 1974 BGB gegenüber § 1973 BGB.[117]

 

Rz. 82

Für das Verhältnis zu Pflichtteilsberechtigten, Vermächtnisnehmern und Auflagenbegünstigten gilt § 1974 Abs. 2 BGB i.V.m. § 327 InsO: Pflichtteilsansprüche sind vorrangig vor Ansprüchen aus Vermächtnissen und Auflage zu befriedigen.

 

Hinweis

Bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen ist vom Nachlasswert ohne Abzug von Vermächtnissen und Auflagen auszugehen (§ 2311 BGB).

 

Rz. 83

Das Leistungsverweigerungsrecht des § 1974 BGB führt grds. zu den gleichen Folgen wie § 1973 BGB (siehe hierzu Rdn 71 ff.). § 1974 Abs. 2 BGB enthält aber eine Sonderregelung zu § 1973 Abs. 1 S. 2 BGB.[118]

[108] Zum Lauf der Frist BeckOGK/Herzog, § 1974 BGB Rn 22 ff.
[109] Zur Geltendmachung gegenüber dem Erben näher BeckOGK/Herzog, § 1974 BGB Rn 25 ff.; MüKo/Küpper, § 1974 BGB Rn 3; Staudinger/Dobler, § 1974 BGB Rn 8.
[110] Herzog/Lindner, Die Erbrechtsreform 2010, Rn 34 ff.
[111] Burandt/Rojahn/Joachim, § 1974 BGB Rn 2; a.A. Muscheler, Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung, 1994, Rn 150 ff. und ders., ErbR II, Rn 3718.
[112] BeckOGK/Herzog, § 1974 BGB Rn 30 ff. und zur Zurechnung der Kenntnis anderer Rn 35 sowie Staudinger/Dobler, § 1974 BGB Rn 11.
[113] NK-BGB/Krug, § 1974 BGB Rn 7; AK-BGB/Teubner, § 1974 BGB Rn 10.
[114] FAKomm-ErbR /Löhnig, § 1974 BGB Rn 2.
[115] RGRK/Johannsen, § 1974 BGB Rn 10.
[116] BeckOGK/Herzog, § 1974 BGB Rn 14 ff.
[117] Staudinger/Dobler, § 1974 BGB Rn 2.
[118] Hierzu BeckOGK/Herzog, § 1974 BGB Rn 41 f.

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