Rz. 3

In bestimmten gesetzlich vorgesehenen Fällen, wie z.B. bei Verfahrensfehlern des Gerichts, insbesondere bei der Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) oder wenn ein Richter zwischenzeitlich ausgeschieden ist, kann eine Wiedereröffnung des Verfahrens begründet sein, § 156 Abs. 1 ZPO. Das Gericht kann Veranlassung zur Wiedereröffnung z.B. auch dann sehen, wenn sich die im Verhandlungstermin geäußerte vorläufige Beurteilung der Rechtslage im Zuge der Nachberatung geändert hat, um so eine unzulässige Überraschungsentscheidung zu vermeiden.

 

Rz. 4

Man kann sich mit einer entsprechenden Anregung an das Gericht wenden, auch wenn es kein eigentliches Antragsrecht gibt. Das Gericht entscheidet, ob es die Verhandlung wiedereröffnen will. Es liegt aber durchaus eine Verletzung rechtlichen Gehörs vor, wenn das Gericht beispielsweise einen am frühen Morgen des Verkündungstages eingegangen Schriftsatz nicht vor der Verkündung seiner Entscheidung zur Kenntnis genommen und geprüft hat, ob Gründe für eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO vorliegen.[1]

 

Rz. 5

Eröffnet das Gericht den Prozess nicht noch einmal, obwohl nach § 156 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechende Tatsachen vorgetragen sind, kommen als Verfahrensrechte der Parteien eine Gehörsrüge, die Berufung und, nach Erschöpfung des Rechtsweges, die Verfassungsbeschwerde in Betracht.

[1] BGH, Beschl. v. 7.4.2016 – I ZR 168/15, juris Leitsatz = AnwBl 2016, 853.

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