Rz. 128

Wird das Aufgebotsverfahren innerhalb eines Jahres ab Bestellung des Nachlasspflegers beantragt, kann der Nachlasspfleger die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten sogar bis zur Rechtskraft des Ausschließungsbeschlusses verweigern (§§ 2015, 2017 BGB – Einrede des Aufgebotsverfahrens).

 

Rz. 129

Die Einrede des Aufgebotsverfahrens wirkt allerdings nicht als materiellrechtliches Leistungsverweigerungsrecht. Der Nachlasspfleger kommt daher trotz Einreden in Verzug (Verzugszinsen/Verzugsschaden). Allerdings müssen die Gläubiger diese Nebenforderung im Verfahren auch anmelden.

 

Rz. 130

Die Einrede hat aber entscheidende prozessuale und vollstreckungsrechtliche Wirkungen: Im Prozess führen die Einreden zu einer Verurteilung unter dem Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung (vgl. §§ 305 Abs. 1, 780 ZPO). Die Zwangsvollstreckung darf dann während der Einredezeit lediglich noch zur Sicherung, nicht zur Befriedigung des Gläubigers führen (vgl. §§ 782, 783, 785 ZPO).

 

Rz. 131

 

Praxistipp

Dem Nachlasspfleger ist es so sogar möglich, eine Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung von Nachlassimmobilien bis zur Beendigung des Aufgebotsverfahrens aufheben zu lassen.[153]

 

Rz. 132

Hat ein Gläubiger seine Forderung nicht angemeldet, ist diese nunmehr einredebehaftet: Dem Nachlasspfleger steht die Ausschlusseinrede gemäß § 1973 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Gegenüber den ausgeschlossenen Gläubigern haftet der Erbe nur mit dem Nachlassüberschuss nach Bereicherungsgrundsätzen (§ 1973 Abs. 2 BGB). Diese Ausschlusseinrede wirkt auch in einem späteren Insolvenzverfahren, vgl. § 327 Abs. 3 InsO.

 

Rz. 133

Von dem Aufgebotsverfahren und seiner Ausschlusswirkung sind allerdings nicht diejenigen Gläubiger betroffen, die in §§ 1971, 1972 BGB genannt sind, insbesondere Pfandgläubiger, und ihnen im Insolvenzverfahren gleichgestellte Gläubiger, ferner die zur Zwangsvollstreckung in Immobilien berechtigten Realgläubiger sowie Pflichtteilsberechtigte, Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte. Sie müssen ihre dinglichen Forderungen nicht gesondert anmelden. Darlehensgebende Banken, die den Kredit jedoch durch ein Grundpfandrecht auf dem Grundstück abgesichert haben, müssen ihre schuldrechtlichen Ansprüche aus dem Darlehen anmelden, andernfalls sind diese – unabhängig von der bestehenden dinglichen Sicherung – ausgeschlossen.[154]

 

Rz. 134

Ein ordnungsgemäß durchgeführtes Gläubigeraufgebot wirkt damit faktisch weitgehend wie eine Haftungsbeschränkung hinsichtlich der ausgeschlossenen Gläubiger.

[153] H.M.: Musielak/Lackmann, ZPO, § 782 Rn 2.
[154] MüKo-BGB/Siegmann, 4. Aufl. 2004, § 1971 Rn 3.

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