Rz. 10

Der Anhörungsbogen hat grundsätzlich (zu den Ausnahmen siehe § 28 Rdn 37–48) verjährungsunterbrechende Wirkung. Dabei unterbricht bereits die Versendung – genauer die Anordnung der Versendung (BGHSt 25, 6) – des Anhörungsbogens die Verjährung; auf den Zugang kommt es nicht an (BayObLG DAR 1999, 558; OLG Hamm DAR 2007, 96). Deshalb hat auch ein Anhörungsbogen, der wegen einer unzutreffenden Anschrift nicht zugestellt werden kann, verjährungsunterbrechende Wirkung (OLG Frankfurt zfs 1991, 322; BayObLG NZV 2003, 439; OLG Hamm DAR 2007, 96).

Voraussetzung ist allerdings, dass aufgrund der Formulierung im Anhörungsbogen der Adressat eindeutig als Beschuldigter zu erkennen ist (OLG Brandenburg DAR 2007, 396). Hierzu reicht ein mit "Anhörungsbogen/Zeugenfragebogen" überschriebenes Schriftstück (OLG Hamm NZV 1998, 34) ebenso wenig aus, wie die Anordnung einer Vernehmung (Thüringer OLG VRS 2005, 49).

Voraussetzung ist außerdem, dass die Anordnung der Versendung auf eine Individualentscheidung des Sachbearbeiters zurückgeführt werden kann und aktenkundig gemacht wurde, wer die Anordnung getroffen hat. Allein mit der späteren Erinnerung des Sachbearbeiters kann dieser Nachweis nicht geführt werden (BayObLG VRS 60, 126; OLG Zweibrücken NZV 2001, 483).

Soweit nicht ein EDV-Programm benutzt wird, bedarf es deshalb der Unterschrift oder eines Handzeichens des Sachbearbeiters, mit dem er gleichzeitig auch das Datum seiner Verfügung dokumentieren muss (OLG Köln DAR 2000, 131; OLG Dresden zfs 2005, 572).

Wird dagegen der Anhörbogen im Rahmen eines über eine EDV-Anlage programmierten Ablaufs versendet, bedarf es keiner weiteren Verfügung des Sachbearbeiters und damit auch keiner weiteren Unterschrift, denn die auf mechanischem Weg automatisch ablaufende Fertigung des Anhörbogens ist – wie der gesamte programmierte Ablauf – durch die bei der Anlage der Akte getroffene Verfügung des Sachbearbeiters gedeckt (OLG Dresden DAR 2004, 534). Das gilt ebenso, wenn die Akte, wie das § 110b OWiG zulässt, in elektronischer Form geführt wird und der Anhörbogen individuell ausgedruckt und versandt wird (OLG Koblenz zfs 2018, 170).

Nichts anderes gilt, wenn zunächst gegen den Halter und dann gegen den zwischenzeitlich ermittelten Fahrer ein Anhörbogen verfügt wird. Dann reicht es aus, wenn sich Inhalt und Zeitpunkt der Verfügung sowie das Sachbearbeiterkürzel aus der Dokumentation nachprüfbar ergeben. Einer schriftlichen Verfügung des Sachbearbeiters bedarf es auch hier nicht mehr (BGH zfs 2006, 528).

 

Rz. 11

 

Achtung: Übergabe des Anhörungsbogens an einen Dritten

Zwar hat die Übergabe des Anhörungsbogens an einen Dritten grundsätzlich verjährungsunterbrechende Wirkung, dies aber nur, wenn auch die Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung vorlagen.

Das ist z.B. dann nicht der Fall, wenn der einen Arbeitnehmer betreffende Anhörungsbogen einem anderen Mitarbeiter in der Firma übergeben wird (AG Darmstadt zfs 2000, 225; AG Suhl zfs 2006, 353).

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