Rz. 66

Die Versicherungsleistung ist nicht unendlich, sondern erfährt in vielerlei Hinsicht Begrenzungen. In den A 1 Ziff. 1–6 AVB finden sich sogenannte primäre (positive) Risikobegrenzungen, die den Versicherungsumfang umschreiben. Die AHB werden insoweit durch Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) ergänzt.

Daneben gibt es sekundäre (negative) Risikobegrenzungen, also Leistungsausschlüsse. Sie sind in A 1 Ziff. 7 AVB/Ziff. 7 AHB und zu den AHB weiterführend abermals in den BBR geregelt.

 

Rz. 67

Der Versicherungsnehmer muss darlegen und beweisen, dass das Schadensereignis innerhalb der positiven Risikobegrenzung liegt, mithin vom Versicherungsumfang umfasst ist. Hingegen trifft den Versicherer die Darlegungs- und Beweislast, wenn er sich auf die negative Risikobegrenzung, also darauf beruft, dass ein konkreter Sachverhalt einen Ausschlusstatbestand erfüllt.

Die nachfolgende Darstellung der Leistungsbegrenzungen ist nicht abschließend und umfasst nur allgemeine Themen. Zu Speziellem zur Privat- bzw. Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung vgl. Rdn 141 ff. und 159 ff.

1. Primäre Risikobegrenzungen

a) Versicherungssumme – A 1 Ziff. 5.1 AVB/Ziff. 6.1 AHB

 

Rz. 68

Die vereinbarte Versicherungssumme bildet gem. A 1 Ziff. 5.1 AVB/Ziff. 6.1 AHB die Höchstgrenze für die Entschädigungsleistung des Versicherers. Sie ist je Schadenereignis für alle Versicherten zusammen nur einmal abrufbar. Meist ist nach A 1 Ziff. 5.2 AVB/Ziff. 6.2 AHB vereinbart, dass die Versicherungssumme mehrfach (maximiert) pro Versicherungsjahr zur Verfügung steht. Dann ist die Gesamtleistung des Versicherers für alle Schadenereignisse eines Versicherungsjahres auf ein bestimmtes Vielfaches der Versicherungssumme begrenzt; die Höhe der Versicherungssumme ändert sich hierdurch jedoch nicht. Von der Versicherungssumme nicht gedeckte Beträge entfallen auf den Versicherungsnehmer.

 

Rz. 69

 

Beispiel

Bei zweifacher Maximierung der Versicherungssumme von 1 Mio. EUR, stehen in einem Versicherungsjahr für in diesem Jahr verursachte Schäden 2 × 1 Mio. EUR zur Verfügung.

Der Versicherungsnehmer verursacht drei Schäden von je 600.000 EUR und einen vierten Schadenfall in Höhe von 500.000 EUR. Hiervon sind die ersten drei in voller Höhe, der vierte jedoch nur mit 200.000 EUR gedeckt. Für die restlichen 300.000 EUR besteht keine Deckung.

Verursacht der Versicherungsnehmer hingegen einen Schaden von 1,2 Mio. EUR und fünf Schäden à 200.000 EUR, so bleiben von dem ersten Schaden 200.000 EUR ungedeckt, weil pro Schadenfall nur max. 1 Mio. EUR abrufbar sind. Die weiteren Schäden sind hingegen gedeckt.

 

Rz. 70

Sind mehrere Dritte geschädigt und übersteigen deren Ansprüche insgesamt die Versicherungssumme, so sind die Ansprüche nach § 109 VVG anteilig zu kürzen.

 

Rz. 71

Die Kosten werden gem. A 1 Ziff. 5.5 AVB/Ziff. 6.5 AHB nicht auf die Versicherungssumme angerechnet.[62] Übersteigen die Haftpflichtansprüche die Versicherungssumme, trägt der Versicherer nach A 1 Ziff. 5.6 AVB/Ziff. 6.6 AHB die Prozesskosten lediglich im Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe der Ansprüche. Dies gilt auch, wenn es sich um mehrere aus einem Schadenereignis entstehende Prozesse handelt.

Hat der Versicherer die Kosten vollumfänglich vorgeschossen, ist der Versicherungsnehmer zur anteiligen Erstattung verpflichtet. Im Hinblick auf das den Geschädigten schützende Verfügungsverbot in § 108 VVG kann der Versicherer anteilig überzahlte Kosten von der titulierten Entschädigungsleistung nur abziehen, wenn sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch gewandelt hat (etwa weil der Versicherungsnehmer in Vorlage getreten ist).[63]

[62] Vgl. OLG Frankfurt/M. VersR 2012, 432 (zur Unwirksamkeit einer anderslautenden Klausel in der D & O Versicherung).
[63] Vgl. OLG Köln VersR 2009, 391 = IBR 2009, 353.

b) Selbstbeteiligung/Selbstbehalt – A 1 Ziff. 5.4 AVB/Ziff. 6.4 AHB

 

Rz. 72

Häufig wird gem. A 1 Ziff. 5.4 AVB/Ziff. 6.4 S. 1 AHB vereinbart, dass der Versicherungsnehmer sich an der Schadenersatzleistung pro Schadenfall mit einer festen Summe oder einem Prozentsatz beteiligen muss. Diese Selbstbeteiligung (oder auch "Selbstbehalt" nach den AHB) ist als Teil der "Entschädigungsleistung" (bzw. "Schadensersatzleistung" in AHB) von der Schadensumme und nicht von der Deckungssumme abzuziehen. Liegt die Schadensumme unterhalb der Selbstbeteiligung, trägt der Versicherungsnehmer den Schaden allein.

 

Beispiel

Betragen der Schaden 400.000 EUR, die Deckungssumme 300.000 EUR und die Selbstbeteiligung 20 % (vom Schaden = 80.000 EUR), muss der Versicherer die Deckungssumme in voller Höhe zur Verfügung stellen, 100.000 EUR bleiben ungedeckt.

Beträgt hingegen in demselben Fall die Deckungssumme 350.000 EUR bei einem Selbstbehalt von 20 % (= 80.000 EUR), muss der Versicherer nur 320.000 EUR leisten, 80.000 EUR bleiben ungedeckt.

 

Rz. 73

Auf die Kosten findet die Selbstbeteiligung schon nach dem Wortlaut (vgl. Rdn 72) keine Anwendung. A 1 Ziff. 5.4 Abs. 2 AVB/Ziff. 6.4 S. 2 AHB formuliert daher nur klarstellend, dass der Versicherer ohne ausdrücklich anders lautende Vereinbarung daher auch dann Rechtschutz zu gewähren hat, wenn die Schadenshöhe geringer a...

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