Rz. 293

Bei Betriebsrenten hat der Gesetzgeber eine Durchbrechung des Prinzips vorgesehen, dass das dem Ausgleichsberechtigten übertragene Anrecht die gleichwertige Teilhabe an den Anrechten sicherstellen muss, die der Ausgleichspflichtige auszugleichen hat. Nach § 12 VersAusglG erlangt der Ausgleichsberechtigte mit der Übertragung des Anrechts (nur) die Stellung eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers i.S.d. Betriebsrentengesetzes, wenn es sich bei dem ausgeglichenen Anrecht um ein solches nach dem BetrAVG handelt.

 

Rz. 294

Anwendbar ist § 12 VersAusglG nur, wenn es sich bei dem ausgeglichenen Anrecht um eine Betriebsrente handelt, die unter das BetrAVG fällt und im Versorgungsausgleich bei der Scheidung auszugleichen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 1 BetrAVG erfüllt sind und das Anrecht ausgleichsreif ist. Dazu muss es unverfallbar sein (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 Vers­AusglG, siehe dazu Rdn 91 ff.). Unerheblich ist dagegen, ob das Anrecht auf Renten- oder auf Kapitalzahlung gerichtet ist, denn beide Arten betrieblicher Versorgungen fallen jetzt in den Anwendungsbereich des Versorgungsausgleichs (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG a.E.).

 

Rz. 295

Als Rechtsfolge ergibt sich aus § 12 VersAusglG zunächst, dass ein versorgungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber des Ausgleichspflichtigen bzw. dem Versorgungsträger und dem Ausgleichspflichtigen entsteht.[201] Der Ausgleichsberechtigte wird aber nicht zum Arbeitnehmer des Arbeitgebers des Ausgleichspflichtigen.

 

Rz. 296

Diese Einordnung hat für den Ausgleichsberechtigten verschiedene Vorteile: Das ausgeglichene Anrecht bleibt unverfallbar,[202] auch wenn die Ehezeit kürzer war als die fünf Jahre, welche das BetrAVG als Dauer der Betriebszugehörigkeit (die hier nur aus der Tatsache des Verheiratetseins mit einem Betriebsangehörigen hergeleitet werden könnte) für die Unverfallbarkeit des Anrechts voraussetzt (vgl. § 1b BetrAVG) oder wenn die Scheidung vor der Vollendung des 25. Lebensjahres erfolgte. Der Ausgleichsberechtigte kann die Versorgung mit eigenen Beiträgen fortsetzen, wenn ihm ein Anrecht aus einer Direktversicherung, einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse übertragen wird (§ 1b Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BetrAVG) und er kann das Anrecht grds. mitnehmen (vgl. § 4 Abs. 3 BetrAVG).[203] Das Anrecht ist nach §§ 7 ff. BetrAVG insolvenzgeschützt.[204]

 

Rz. 297

 

Hinweis

Das Versorgungsverhältnis eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers ist aber ggü. demjenigen eines noch aktiven Arbeitnehmers ein solches mit reduzierten Gehalt: Das bedeutet, dass der Ausgleichsberechtigte nicht dieselbe Rechtsposition erhält wie der Ausgleichspflichtige, der noch im Unternehmen tätig ist. Er erwirbt vielmehr durch den Ausgleich u.U. nur ein Anrecht minderen Ranges, denn Versorgungsanrechte ausgeschiedener Arbeitnehmer können anderen Abfindungsregeln (vgl. § 3 Abs. 1, 2 BetrAVG), anderen Portabilitätskriterien (vgl. § 4 Abs. 2, 3 BetrAVG) und anderen Dynamisierungsregeln bis hin zum vollständigen Ausschluss der Dynamisierung (vgl. § 2 Abs. 5 BetrAVG) unterliegen.[205] Das kann etwa dazu führen, dass ein gegenseitiger Ausgleich von betrieblichen Altersversorgungen für beide Ehegatten nachteilig sein kann und durch eine Vereinbarung oder einen externen Ausgleich ersetzt werden sollte.

 

Rz. 298

 

Beispiel

M und seine Frau F haben aus ihren jeweiligen betrieblichen Altersversorgungen (die aber nicht vergleichbar i.S.d. § 10 Abs. 2 VersAusglG sind, sodass eine Verrechnung nicht in Betracht kommt) jeweils ein Anrecht auf eine monatliche Rente von 200 EUR. Beide Versorgungsregelungen sehen vor, dass die Versorgung aktiver Mitarbeiter dynamisch ist, während diejenige der ausgeschiedenen Arbeitnehmer nur noch statisch ist. Vor dem Ausgleich stehen M und F also jeweils 200 EUR Monatsrente aus einem dynamischen Anrecht zu, das nach dem Ehezeitende weiter wachsen kann. Werden beide Anrechte intern ausgeglichen bedeutet das, dass nach dem Ausgleich M ein dynamisches Anrecht i.H.v. 100 EUR Rente (in seiner eigenen betrieblichen Altersversorgung) und ein statisches Anrecht i.H.v. 100 EUR Rente in der betrieblichen Altersversorgung von F. Umgekehrt stünde nach dem Ausgleich F ein dynamisches Anrecht i.H.v. 100 EUR Rente (in ihrer eigenen betrieblichen Altersversorgung) und ein statisches Anrecht i.H.v. 100 EUR Rente in der betrieblichen Altersversorgung von M zu. Beide Ehegatten hätten also nur noch ein dynamisches Anrecht i.H.v. 100 EUR Rente und ein statisches Anrecht in derselben Höhe. Beide Ehegatten stünden damit schlechter als vor dem Ausgleich. Dieses Ergebnis können sie vermeiden, wenn sie entweder das Anrecht des jeweils Ausgleichspflichtigen extern ausgleichen (was die Zustimmung des Versorgungsträgers des Ausgleichspflichtigen voraussetzt, vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG, nicht aber die Zustimmung des Ausgleichspflichtigen selbst) oder indem sie vereinbaren, dass ein Ausgleich in Bezug auf die beiderseitigen betrieblichen Anrechte nicht stattfinden soll (was eine Zustimmu...

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